Das Hausbuch der Legenden
wohnt ihr mit Leib und Seele im Paradies?« Da antwortete einer: »Ich bin Enoch, an dem Gott Wohlgefallen fand. Er hat mich deshalb in den Himmel entrückt. Und dies ist der Thesbiter Elias. Wir sollen hier leben bis ans Ende der Welt. Gott hat uns dazu bestimmt, gegen den Antichrist anzutreten. Er wird uns töten. Wir sollen aber nach drei Tagen wiederauferstehen und auf Wolken dem Herrn entgegenfliegen.« Während sie noch sprachen, trat ein unscheinbarer Mensch zu ihnen, der ein Kreuz auf der Schulter trug. Die Väter riefen ihm zu: »Wie kommst du hierher? Du siehst ja aus wie ein Räuber! Und was willst du mit dem Kreuz?« Da antwortete der Mann: »Ihr habt recht! Ich war ein Räuber und ein Dieb, und deshalb schlugen mich die Juden zur selben Zeit ans Kreuz wie unseren Herrn Jesus Christus. Wie ich aber die Wunder miterlebte, die dort geschahen, da glaubte auch ich an den Herrn und rief ihm zu: ›Vergiß mich nicht, Herr, wenn Du Deine Herrschaft antrittst!‹ Und er antwortete mir: ›Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein!‹ So kam ich mit meinem Kreuz hierher. Der Erzengel Michael öffnete mir das Tor und gebot mir, am Eingang auf euch zu warten.
Darum ging ich euch jetzt entgegen.« Als die Heiligen das hörten, lobten alle den Herrn. Dies alles hörten und sahen wir beiden leiblichen Brüder. Der Erzengel Michael befahl, daß wir uns am Jordan taufen ließen; dann aber sollten wir hingehen und die Auferstehung des Herrn verkünden. Auf diese Weise kamen wir nach Jerusalem. Jetzt aber müssen wir euch wieder verlassen. Die Liebe Gottes des Vaters, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! – Das schrieben sie auf.
Sie siegelten die Rollen und gaben eine den Hohenpriestern, die andere aber dem Joseph von Arimathia und dem
Nikodemus. Dann waren sie verschwunden.
Apostellegenden
Petrus und der Magier Simon
DER HERR befahl dem Apostel Paulus, nach Spanien zu segeln und dort das Evangelium zu verkünden. Er ließ die große römische Gemeinde in einiger Verzweiflung zurück, denn sie hatte nun, in Zeiten ständiger Bedrohung, keinen apostolischen Führer mehr. Zudem meldeten die Boten aus den Hafenstädten, daß Simon, der Zauberer, der große Verführer, im Hafen von Aricia gelandet sei. Er kam aus dem Orient nach Rom, um seinem erbitterten Gegner Petrus auszuweichen. Simon erklärte, er sei die Kraft Gottes, er könne wunderbare Dinge tun, ja er sei Christus selbst. Die Römer begrüßten ihn als ihren Retter, als den Gott ihres Reiches, und baten ihn, so schnell wie möglich in ihre Hauptstadt zu kommen. Simon versprach daraufhin, am nächsten Tag um die siebente Stunde über das Stadttor nach Rom hineinzufliegen. Die Gläubigen nannten Simon einen Lügner, sie sagten, Christus habe ihm nicht die Macht gegeben, Tote wieder zum Leben zu erwecken und Kranke zu heilen, sie klagten, er suche nur Streit und bringe Unruhe in die Gemeinde. Die Brüder beschlossen trotzdem, rechtzeitig am Tor abzuwarten, was geschähe. Um die siebente Stunde erschien in der Ferne eine Erscheinung am Himmel, die wie eine leuchtende Staubwolke aussah. Plötzlich stand Simon mitten unter dem Volk. Keiner wußte, woher er gekommen war. Er wurde erkannt und von vielen mit Jubel begrüßt. Dann predigte Simon, er predigte viele Tage lang, er machte dazu seine Gaukeleien, er versicherte und begründete, daß die Apostel und ihre Jünger Scharlatane seien. Niemand trat gegen ihn auf, denn keiner war ihm gewachsen. Der Glaube der Brüder wankte; Paulus, Timotheus, Barnabas, die großen Prediger und Vorbilder, hatten sie verlassen. Immer mehr fielen vom Glauben ab. Von der großen römischen Gemeinde blieben schließlich nur noch fünf: der Presbyter Narcissus, zwei Frauen im Hospiz und zwei Kranke, die das Haus nicht verlassen konnten. Sie beteten Tag und Nacht zu Gott und baten ihn, Paulus oder einen anderen Boten des Heils zu senden.
Um diese Zeit erschien der Herr dem Apostel Petrus, der damals noch in Jerusalem war, denn ihm war befohlen, zwölf Jahre dort zu wirken. Er offenbarte ihm, daß ihm der Magier Simon, den er aus Judäa vertrieben hatte, nun auch in Rom zuvorgekommen sei und fast alle Gläubigen abtrünnig gemacht habe. Er befahl ihm, auf dem schnellsten Wege in den Hafen von Caesarea zu reisen und von dort mit dem nächsten Schiff nach Rom zu segeln. Petrus verabschiedete sich von den Brüdern und erreichte wirklich ein Schiff, das gerade in See
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