Das Hausbuch der Legenden
gerne Gott sein und die ganze Welt regieren! Jetzt hast du nicht einmal eine Kuh mit ihrem Kälbchen auf die rechte Weide führen können, und der schöne Tag ist vorbei.«
Die Braut des heiligen Petrus
UNSER LIEBER HERR wanderte mit Petrus und Johannes durch die Bretagne. Sie sprachen über dies und das. Plötzlich sagte unser lieber Herr: »Es ist höchste Zeit, daß du heiratest, Petrus!«
»O Herr! Ich, in meinem Alter?«
»Ja, warum denn nicht?«
»Wen sollte ich schon heiraten, Herr?«
»Das erste Mädchen, das uns jetzt auf unserem Weg
begegnet.«
»Meinetwegen! Wenn Ihr es so wollt!«
Es dauerte gar nicht lange, da kam ihnen eine Bauernmagd entgegen. Sie war ebenso häßlich wie schmutzig. Ihre Füße steckten in alten Holzschuhen, und ihre Beine waren von oben bis unten mit Kuhmist bespritzt.
»Da, schau, Petrus«, sagte unser Herr, »dort kommt deine Frau!«
Petrus verzog das Gesicht und erwiderte aufgeregt: »Dieses Weib, Herr? Nein, die wird gewiß nie meine Frau!«
»Ja, warum willst du sie denn nicht haben?«
»Sieh doch selbst, Herr! Sie ist schmutzig und häßlich, und jung ist sie auch nicht.«
»Nun, du bist auch nicht gerade jung, mein Freund! Auch du bist kein schöner junger Herr. Aber meinetwegen, ich will ein Auge zudrücken. Nimm die nächste, die uns begegnet!«
»Das ist mir sehr recht, lieber Herr! Ich kann mir nicht vorstellen, daß uns ein weibliches Wesen in den Weg kommt, das noch häßlicher ist.«
Aber es dauerte gar nicht lange, da begegnete ihnen eine alte Jungfer mit wackelndem Kopf und mit Triefaugen. Sie stützte sich schwer auf einen Stock und war noch viel schmutziger als die erste. Unser Herr wandte sich lächelnd um und sagte zu Petrus: »Nun gut, da ist also deine Frau.«
Petrus schüttelte heftig den Kopf, schnitt eine entsetzliche Grimasse und rief: »Niemals! Da war ja die erste noch besser!
Aber ich will keine von beiden!«
»Ich hätte nicht gedacht, daß du mir solche Schwierigkeiten machst, mein Lieber! Aber ich will noch einmal nachgeben.
Bei der nächsten, die uns begegnet, gibt es dann freilich kein Pardon mehr. Du mußt sie nehmen, wie sie ist!«
»Das will ich gern, Herr! Es wird doch nicht noch schlimmer kommen?«
Die drei gingen stumm weiter. Jeder blickte angestrengt auf den Weg. Und da kam sie, da kam das alte Weib. Sie ging tief gebückt an ihrem Knotenstock, das heißt, eigentlich ging sie gar nicht, sie zog mühsam einen Fuß nach dem anderen hinter ihrem Stock her. Sie hatte nur noch ein Auge und zwei lange schwarze Zähne, die bei jedem Schritt wackelten. Zu allem Überfluß trug die alte Hexe noch einen Buckel mit sich herum.
Ihre schmutzigen Lumpen stanken so, daß jedem übel wurde.
»Diesmal ist es nun wirklich deine Frau«, sagte der Herr. Der arme Petrus seufzte tief auf, drehte vor Ekel seinen Kopf weg und sagte kein einziges Wort.
Unser Herr aber sprach: »Du hast die beiden anderen
abgelehnt. Wir brauchen also jetzt keine weiteren Worte zu verlieren, mein Lieber. Du wirst diese Frau heiraten. Ihr werdet in der nächsten Stadt getraut.«
Sie setzten ihren Weg fort. Die Hexe schlurfte vergnügt neben ihnen her; denn sie hatte nicht erwartet, in ihrem Alter noch zu einem Mann zu kommen. Petrus aber wollte nicht neben ihr gehen, ja, er schaute sie nicht einmal an. Unser Herr hänselte ihn und sagte, er könne seine Braut ruhig etwas liebenswürdiger behandeln und ihr wenigstens den Arm reichen. Petrus aber schlich tief gebeugt und traurig hinterdrein. So kamen sie an einer offenen Schmiede vorbei, die einem berühmten Meister gehörte, der sehr stolz auf sein Können war. Wer ihn nicht mit »Großer Schmied« oder
»Meister aller Schmiede« anredete, der bekam von ihm keine Antwort. Unser Herr betrat mit seinen drei Begleitern die Werkstatt und sagte zu dem Meister: »Erlaubt mir bitte, auf eurem Amboß ein gutes Stück zu schmieden! Ich bin nämlich auch Schmied.« Der Meister sah ihn nur verächtlich an, zuckte mit den Schultern und sagte nichts. Dafür antwortete aber sein Geselle: »Mein lieber Mann, das ist nicht die Art und Weise, in der man mit meinem Meister reden kann. Ihr müßt wissen, daß er der größte Schmiedemeister ist, der in dieser Welt lebt. Es gibt keinen, der sich mit ihm messen kann.«
»Und wie muß man Euren Meister anreden?«
»Auf diese Weise, den Hut in der Hand: ›Ich grüße Euch, großer Schmied, Meister aller Schmiede, Fürst der Schmiede; hättet Ihr die Güte, würdet Ihr mir
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