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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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ausnahmsweise erlauben, auf Eurem Amboß ein gutes Stück zu schmieden?‹«
    »Schön«, sagte unser Herr, »ich werde ihn so anreden, wie Ihr vorgeschlagen habt.«
    Er nahm seinen Hut in die Hand, verbeugte sich tief und sagte: »Gott grüße Euch, Herr Schmied, Meister aller Schmiede, Fürst aller Schmiede! Hättet Ihr die Güte, würdet Ihr mir ausnahmsweise erlauben, auf Eurem Amboß ein gutes Stück zu schmieden?«
    Der Meister antwortete: »Mit Vergnügen, jetzt, wo Ihr mit mir redet, wie es sich gehört, mit Vergnügen!« Die alte gebrechliche Mutter des Schmiedes saß am Feuer, um sich zu wärmen. Unser Herr bat sie, sich etwas weiter weg zu setzen.
    Dann nahm er die Braut des heiligen Petrus und warf sie in die Glut.
    Die Mutter des Schmieds schrie laut auf: »Jesus! Was machst du da! Du Verbrecher!«
    Unser Herr antwortete ihr in aller Ruhe: »Macht Euch keine Sorgen, Großmutter! Laßt mich nur weitermachen! Ihr werdet gleich sehen, daß ich nichts Böses tue.«
    Petrus aber dachte: Du lieber Gott! Will er mich vielleicht von der alten Hexe befreien?
    Nach kurzer Zeit nahm unser Herr die Alte mit Zangen aus dem Feuer und legte sie auf den Amboß wie ein Stück
    rotglühendes Eisen. Gleichzeitig forderte er alle anderen auf, sich Hämmer zu holen und ihm beim Schmieden zu helfen.
    Bald schlugen sie alle auf die Alte ein, als ob sie aus Eisen wäre. Der heilige Petrus hämmerte mit besonderem
    Vergnügen. Dann steckte unser Herr die Alte noch einmal ins Feuer, ließ sie glühend werden, legte sie wieder auf den Amboß, und sie schmiedeten alle weiter. So machte er es noch drei- oder viermal. Die Braut des heiligen Petrus verlor auf diese Weise langsam ihren Buckel und alle ihre anderen Unförmigkeiten, sie wurde immer glatter, und schließlich stand ein hübsches junges Mädchen vor ihnen. Die Gehilfen des Herrn staunten sie an und brachten den Mund nicht mehr zu.
    Unser Herr aber sagte: »Nun, Herr Schmied, Meister aller Schmiede, Fürst der Schmiede, kannst du das auch?« Der Meister antwortete nicht. Er war wie vor den Kopf geschlagen.
    Unser Herr redete ihn noch einmal an und sagte: »Ich habe den Eindruck, lieber Meister, Meister aller Meister, Fürst der Schmiede, ich glaube, Ihr habt Euren Meister gefunden!«
    »Das ist möglich. Aber ich werde versuchen, dieselbe Aufgabe zu lösen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß es in dieser Welt einen Schmied gibt, der eine Arbeit macht, die ich nicht auch leisten kann.«
    Die drei Wanderer machten sich wieder auf den Weg, und das anmutige junge Mädchen ging mit ihnen. Petrus war sehr glücklich. Man mußte ihn jetzt nicht mehr bitten, die Braut an der Hand zu nehmen.
    Kaum hatten die drei die Schmiede verlassen, sagte der Meister: »Es ist sehr fraglich, ob ich meinen Meister gefunden habe. Was dieser Mensch konnte, das muß ich auch können.«
    Und er nahm seine alte Mutter, warf sie ins Feuer und versuchte, sie mit seinem Gehilfen auf dem Amboß
    umzuschmieden. Aber sie ließ sich nicht wie glühendes Eisen bearbeiten. Sie war tot. Der Schmied war nahe daran zu verzweifeln. Er hatte seinen Meister gefunden, und er hatte bei dem Versuch, ihn zu übertreffen, seine Mutter umgebracht.
    Nun gab es für ihn nur die eine Hoffnung, daß der seltsame Schmied ihm helfen konnte. Er lief den drei Wanderern nach, so schnell er konnte. Er rief sie schon von weitem an, aber sie hörten ihn nicht. Er schrie: »Hallo! He! Hallo! Hört ihr mich denn nicht, ihr Herren?…« Sie hörten ihn sehr gut, aber sie taten so, als ob sie taub wären, und gingen ohne Aufenthalt weiter. Da wechselte der Schmied den Ton und schrie:
    »Meister, lieber Meister, im Namen Gottes…« Und unser Herr fragte zurück: »Was gibt’s, lieber Mann?«
    »O! Mir ist ein großes Unglück geschehen!«
    »Was ist denn geschehen, Meister Schmied, Fürst der
    Schmiede?«
    »Meine Mutter, meine arme Mutter! Sie ist tot!«
    »Ja, wieso das?«
    »Ich, ich wollte sie schmieden wie Ihr, ich wollte sie verjüngen, und ich habe sie getötet.«
    »Ja wieso, ich verstehe Euch nicht. Habt Ihr mir nicht gesagt, daß Ihr der Meister aller Schmiede seid, habt Ihr mir nicht gesagt, daß es auf der ganzen Welt keinen gibt, der es mit Euch aufnehmen kann?«
    »Ja, Ihr habt recht, ich habe das gesagt. Aber ich habe nun erfahren, daß ich es mit Euch nicht aufnehmen kann. Ihr seid mein Meister. Ich bitte Euch, mir zu verzeih’n!«
    »Habt Ihr Eure Mutter sehr geliebt?«
    »Ja, o ja! Ich habe sie sehr

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