Das Hausbuch der Legenden
Herrn Jesus
Christus.« Der König war tief betrübt. Dann wurde er zornig und sagte: »Weh mir! Wer trägt die Schuld für diese üble Sache? Wer anders, als ich selbst. Ich habe dich durch meine große Güte verwöhnt. Darum bist du frech und halsstarrig geworden, darum verspottest du das väterliche Ansehen. Aber höre nun, was ich dir sage: du hast die Wahl, gehorche mir oder ich kenne dich nicht mehr als meinen Sohn.« Joasaph aber antwortete: »Du warst immer gütig gegen mich, Vater, wer wollte das bezweifeln! Du hast es von Herzen gut mit mir gemeint. Aber Gott meint es noch besser mit mir. Ich kann wegen der Sohnschaft dir gegenüber nicht die Kindschaft gegenüber Gott aufgeben.«
Der Vater ging im Zorn. Seine Ratgeber meinten, er hätte den Sohn nicht so hart tadeln, vielmehr versuchen sollen, ihn in Güte zu gewinnen. Der Vater wartete eine Zeit und versuchte es noch einmal in Güte. Aber der Prinz blieb fest. Da schlug ihm der König vor, die Entscheidung von einem öffentlichen Disput mit Barlaam abhängig zu machen. Joasaph erklärte sich damit einverstanden. Er nahm aber den falschen Barlaam beiseite und drohte ihm: »Du weißt am besten, was du gelehrt hast. Bleibst du bei diesem Glauben, dann werde ich dich zeitlebens hoch ehren. Läßt du dich aber überreden, dann reiße ich dir mit eigener Hand das Herz aus der Brust und werfe es den Hunden vor.« So wurde der Afterlehrer in seinen eigenen Schlingen gefangen. Er beschloß, dem Königssohn zu
gehorchen, um so einem schmählichen und sicheren Tod zu entgehen. Der Disput mit dem falschen Barlaam dauerte bis tief in die Nacht. Zur Überraschung des Königs vertrat der Afterprophet die christlichen Lehren. Die Unterredung sollte am nächsten Tag fortgesetzt werden. Joasaph aber nahm sich den falschen Barlaam noch einmal vor und sagte zu ihm: »Ich weiß sehr wohl, daß du nicht Barlaam bist, sondern Nachor, der Astrologe.« Dann predigte der Prinz so lange und mit solchem Eifer, daß der Mann sich taufen ließ und auch in die Wüste ging. Als der Magier Theodor von diesem unerwarteten Ausgang des Disputs hörte, riet er dem König, die
Gefolgsleute des Prinzen abzulösen und ihn nur mit ausgesucht schönen Mädchen zu umgeben. Joasaph kam dadurch kurze Zeit in große Unruhe und Not. Es gelang ihm aber, alle Versuchungen durch Gebete zu bannen. Da schickte der König ihm die verwaiste Tochter des benachbarten Fürsten, ein Weib von großer Schönheit. Joasaph bewunderte sie, doch bedrückte ihn, daß dies edle Gefäß eine Beute des Teufels werden sollte.
Darum versuchte er, sie zu bekehren. Sie aber sagte: »Wenn du willst, daß ich an Christus glauben soll, dann nimm mich zum Weib.« Joasaph erklärte ihr, daß er dem Herrn gelobt habe, sich sein Leben lang zu enthalten, und daß er dies Gelöbnis nicht mehr zurücknehmen könne. Da versprach sie ihm, Christin zu werden, wenn er nur diese Nacht mit ihr schlafe.
»Dann will ich mit Tagesanbruch Christin werden. Wenn im Himmel Freude ist über jeden Sünder, der Buße tut, wie groß muß dann der Lohn sein für eine solche Bekehrung!« Diese Versuchung brachte den Prinzen in große Not. Da zeigte ihm ein Engel im Traum die Stadt Gottes und die ewige Seligkeit, und er blieb seinem Gelöbnis treu.
Nun gab der König die Hoffnung auf, seinen Sohn jemals zurückzugewinnen und trat ihm auf den Rat seiner Vertrauten die Hälfte des Reiches ab. Joasaph hätte lieber dem Thron entsagt und sich in die Wüste zurückgezogen. Aber er übernahm das Regiment, um als Herrscher den christlichen Glauben auszubreiten. Er errichtete überall Kirchen und Kreuze und bekehrte alle seine Untertanen. Sein Beispiel wirkte sogar auf den Vater. Auch er ließ sich bekehren und taufen. Nach dem Tod des alten Königs gab Joasaph die Regierung ab und ging in die Wüste. Das Volk aber holte ihn wieder zurück. Endlich gelang es ihm doch, die Einsiedelei zu erreichen. Er tauschte die Kleider mit einem Bettler. Dann irrte er lang durch die Wildnis und suchte Barlaam. Er fand ihn hoch in den Bergen in einer Höhle. Joasaph rief ihm vom Eingang aus zu: »Deinen Segen, mein Vater! Deinen Segen!«
Barlaam erkannte sogleich die Stimme des Jüngers. Sie blieben von nun an zusammen, fasteten und beteten. Barlaam starb im Jahr 380 nach Christi Geburt, Joasaph lebte fünfunddreißig Jahre als Eremit. Der König holte die Leichname der beiden Männer heim in die Stadt, wo sie als Heilige verehrt wurden.
Maria Magdalena
MARIA
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