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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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die Gelegenheit noch ausnutzen. Bald wird niemand mehr davon sprechen.«
    Aus allen Villen ringsum kam sofort die Antwort.
    »Aas! Dreckhaufen! Blödel! Schlamper! Schuft! Hurensohn! Saukerl! Mörder! Faschist!«
    Vom Dach der Villa von Dragasès begann ein Maschinengewehr zu schießen. Einige kurze Feuerstöße.
    »Die Kuh!« sagte Panama Ranger. »Er hat noch nicht alle Zähne verloren.«
    Aus der Deckung hinter einer Gartenmauer schaute er auf die leere Straße, auf der sich kurz vorher alle aufgehalten hatten. Nach den ersten Feuerstößen hatte die Bande Reißaus genommen. Auf dem Asphalt lag ein Dutzend Verwundeter, die stöhnend nach ihrer Mutter riefen. Manche krochen wie Schnecken dahin und beeilten sich, ins Dunkle zu gelangen. Hinter ihnen zog sich eine lange Blutspur hin. Inmitten der auf dem Boden Liegenden stand unbeweglich wie eine Statue Dom Pinet. Er hielt die Hand Lydias so fest in der seinigen, daß nichts sie trennen konnte. Das Mädchen zitterte und begann zu heulen.
    »Mein Gott!« schrie Panama Ranger, »was fällt euch beiden ein! Machst du das absichtlich, Pfarrer? Ihr werdet beide getötet!«
    Das Maschinengewehr feuerte eine letzte Salve, und alle begriffen, daß dieser Pfarrer sich von seinem Gewissen frei gemacht hatte. Sein Körper krümmte sich, nachdem die Kugeln ihn durchbohrt hatten. Dann gab er nach und glitt auf den Boden. Seine Hand öffnete sich und gab Lydia frei.
    »Lydia! Hau ab!« rief Panama Ranger nochmals.
    Es war unnötig. Das Maschinengewehr schoß nicht mehr. Weiter oben näherte sich auf der Straße die Prozession der alten Mönche. Sie hatten einen Seidenbaldachin entfaltet, unter welchem der Abt mit der Hostie ging. Sie sangen »Sancte Paule, Sancte Petre …« Diesmal waren es echte Heilige. Für den Rest des Weges genügten sie. Pedatron und Baptist konnten ihnen in der Stunde der Wahrheit nicht mehr helfen. Sie zogen jetzt zwischen zwei Reihen junger, schweigender Menschen hindurch, unter denen etliche Gesichter sogar Hochachtung zu erkennen gaben. Die Anständigsten unter ihnen zweifelten an sich selbst, so sehr bewegte sie dieses Schauspiel einer verlorenen Sache. Und das ist bei einem jungen Menschen immerhin noch ein gutes Zeichen. Diese verlorene Sache war die ihrige, aber nur ganz wenige gelangten zu dieser Offenbarung. Auf jeden Fall war es zu spät, und was noch schwerer wog, war, daß auch Dom Melchior an nichts mehr glaubte und nur noch einen leeren Kreisel darstellte, der seit zweitausend Jahren lief und nun bald aufhörte, sich zu drehen.
    Die Stille wurde unterbrochen und damit die Inbrunst, die viele schon als ungesund empfanden. Vor der Leiche Paul Pinets hielt der Bischof einen Augenblick. Die am nächsten Stehenden hörten ihn murmeln: »Es wäre besser gewesen, dieser Mensch wäre nie geboren worden …«
    »Aber nein!« sagte einer. »Nicht solche Worte sprechen!«
    Es waren die Worte Christi, als er den Aposteln verkündete, daß einer aus dem Dutzend ihn verraten werde. Zur Anerkennung des Evangeliums taugt ein abtrünniger Pfarrer nicht, denn Gott weiß, daß sie sich dauernd irgendwie zu rechtfertigen versuchen. Einer fügte hinzu:
    »Mönche von Fontgembar! Falsche Christen! Grabmäler! Kapitalistenknechte! Alte Schweine!«
    Es hagelte Beleidigungen. Die neuen Priester fanden den Anschluß an ihr Jahrhundert, das ihnen behagte. Von allen Seiten kamen die Zurufe. Der Haß hatte nur eine kurze Pause eingelegt, denn wenn er einmal Fuß gefaßt und das Herz vergiftet hat, ist es nicht leicht, ihn zu bändigen.
    Haltet euer Maul!« sagte Panama Ranger. »Laßt sie vorbei!«
    Dann wandte er sich zur Villa, wo die Soldaten waren und rief: »Dragasès! Blödmann! Ich schicke die Verstärkung!« Diese Verstärkung erheiterte die Bande. Unter ihrem Gelächter entfernte sich das Dutzend taumelnder Mönche. Höhnische Gitarrenmusik gab ihnen das Geleit. Man spielte synkopische Negermelodien. Es war ein komischer Anblick, wie die Prozession dahinwankte; Greis hinter Greis fing sich gegenseitig auf und ging, koste es was es wolle, im Rhythmus nach Art von Possenreißern mit ruckartigen Bewegungen. Pfarrer Chassal marschierte an der Spitze, strauchelte aber nicht. Mit gefalteten Händen betete er. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick zurück, bereit, den Abt abzulösen. Aber dieser zeigte auch keine Schwäche und hielt die Hostie hoch. Als Chassal sich am Ende der Straße kurz vor den Wachposten von Dragasès zum letzten Mal umwandte, kreuzte sich sein

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