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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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schuldet sich überhaupt nichts dergleichen, es sei denn die Wahrheit. Sollte es nicht endlich aufhören, sich mit dem Unabwendbaren zu befassen und sich einfach weigern, was seine Spannkraft erhöht?«
    So dachte der Präsident und zuckte unmerklich mit den Achseln. War er nicht der erste unter den Franzosen, der bis zum Hals im Maul der Mißgeburt steckte und doch auf die Dauer vom Gegenteil von allem überzeugt war? War er nicht Rassist und zugleich Antirassist, Patriot, der den Patriotismus ablehnt, marxistischer Genußmensch, demokratischer Faschist, kommunistischer Kapitalist, ökumenischer Katholik, syndikalistischer Individualist mit Versicherung und Pensionsberechtigung, für nichts verantwortlich, kurz ein menschenfreundlicher Egoist?
    Der Präsident wiederholte: »Frankreich muß der Welt eine Gesamtschau des Vorgangs übermitteln. Der Herr Minister ist bevollmächtigt, der Presse im Rahmen der gebotenen Vorsicht und, nicht zu vergessen, angesichts des noch entfernten Standorts der Emigrantenflotte und ihres ungewissen Schicksals erste Notizen über einen ganz allgemein gehaltenen Aufnahmeplan zu geben mit der Möglichkeit, jederzeit einen Rückzieher machen zu können. Eine internationale Zusammenarbeit soll uns davor bewahren, daß wir gegebenenfalls allein die Folgen einer Großzügigkeit zu tragen haben, die ich meinerseits befürchte. Wenn Sie wissen wollen, was ich im Grunde genommen denke …«
    Er ertappte sich dabei, wie er beide Hände in Hüfthöhe erhob und mit einer flüchtigen Geste, die sofort abgebrochen und geschickt in ablehnende Pendelbewegungen verwandelt wurde, andeutete, daß er an diesem Tag fertig sei und seine eigentlichen Gedanken nicht offenbaren wolle. Der Staatssekretär am Ende des Tisches täuschte sich nicht. Er schaute dem Präsidenten in die Augen und sprach leise vier Worte vor sich hin: Tak-tak-tak-tak.
    »Schluß für heute, meine Herren«, sagte der Präsident und erhob sich. Dann ging er in sein Büro und gab Anweisung, ihn auf keinen Fall zu stören. Er goß sich einen bernsteinfarbenen Whisky ein, lockerte seine Krawatte, machte den ersten Knopf seines Hemdes auf und stellte das riesige Fernsehgerät an. Leicht seufzend ließ er sich in einen Sessel fallen. In Farbe erschien Jean Orelle.
    »Ohne die Tragweite des Vorgangs zu überschätzen«, begann der Minister und legte ein kleines Aktenstück vor die Mikrophone, »so hat die französische Regierung doch das Gefühl, daß es sich auf weltweiter Ebene symbolisch um die Ankündigung einer neuen Form von Sozialismus handelt. Der Flügel dieses Symbols streift plötzlich die alte Welt, die bei der Berührung aus Furcht oder Stolz erschaudert. Schließlich bin ich hier, meine Herren, um diese historische Wahl klarzumachen und auf Ihre Fragen zu antworten.«

16.
     

    »Herr Minister, wird die französische Regierung, abgesehen von dem noch nicht absehbaren Schicksal der tragischen Flotte, Hilfsmaßnahmen ergreifen, um die nach den letzten Nachrichten offensichtlich bestehenden Leiden der Passagiere in mäßigen Schranken zu halten?«
    Der dies sagte, Ben Souad, genannt Clement Dio, war ein wahrer Diener der Mißgeburt, einer, der am meisten in vergifteten Suppen herumrührte, die dampfend jeden Montag die süchtigen, leeren Gehirne der sechshunderttausend Leser seiner so hübsch angebotenen Wochenzeitung vernebelten. Er war, nach seinen gekräuselten Haaren und seiner dunklen Hautfarbe zu schließen, erkennbar nordafrikanischer Herkunft und stammte zweifellos von einer schwarzen Haremssklavin ab. Unter seinen Familienurkunden fand er einen Kaufvertrag, wonach sie an ein französisches Offiziersbordell verkauft worden war. Dio war mit einer Eurasierin chinesischer Herkunft verheiratet und war erfolgreicher Romanschriftsteller. Seine streitlustige Intelligenz nährte sich von den starken Quellen eines auf die Hautfarbe abgestimmten Rassismus, dessen Durchschlagskraft nur wenige Leute ahnten. Das Spinnennetz, das dem französischen Denken ins Gehirn gepflanzt worden war, hatte er mit feinsten Fäden ausgestattet. Er blieb die hochherzige Seele, sehr mitteilsam, wenn auch immer in der gleichen Richtung, und doch aufrichtig genug, um Kritik zu ermöglichen. Von Zeit zu Zeit wurde er von intelligenten Kollegen aufgescheucht, die leider immer seltener werden und die niemand mehr liest. In diesen zwiespältigen Zeiten leistet man sich den Luxus, nach links abzutriften, während die schlecht aufgebaute Presse der Rechten, von

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