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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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…«
    »Andererseits das Ihrige! Wir wissen es, Herr Machefer. Seien Sie dessen gewiß, Sie können, wie gewohnt, schreiben, was Sie wollen.«
    »Ich werde mich danach richten«, sagte der Journalist. »Ab morgen früh.«
    »Und ich werde es lesen, Herr Machefer«, antwortete der Minister. »Ich bin einer Ihrer treuen Leser. Sicher berufsbedingt, aber das sollte Ihnen Spaß machen. Nach allem sind wir nicht viele, die Ihre Artikel lesen.«
    Ein serviles Lächeln huschte durch den Pressesaal. Jeder kannte die fast unüberwindbaren Schwierigkeiten, mit denen die Zeitung Machefers zu kämpfen hatte, und die meisten freuten sich darüber. Als armselige, acht Seiten starke Tageszeitung, ohne Werbung, ohne Fotos und schlecht gedruckt, blieb sie nur schwer verkäuflich und auch nur dank der Unterstützung einiger anonymer, bescheidener Mäzene am Leben. Nur so kam sie in den letzten Tagen des Monats immer wieder über die Runde, ähnlich wie in einem guten Western die first cavalry in letzter Minute die Belagerten rettet. Jeden Monat blies wider Erwarten das Rettungshorn. Keiner erfuhr je, daß der Präsident der Republik zu den unbekannten Wohltätern zählte. Die Zeitung Machefers stand weder links noch rechts noch in der weichen Mitte. Sie schlug unerwartet zu, indem sie die erhaltenen Nachrichten zerpflückte. Diejenigen, die ihr treu blieben, meinten, daß sie immer den Nagel auf den Kopf treffen würde. Das war sicher der Fall, solange der Haß, den sie entfachte, ihre wirkliche Bedeutung nicht übertraf. Da die Presse von sich behauptete, keinen Haß zu hegen, sondern nur Meinungen zu vertreten, gab man sich den Anschein, die Zeitung Machefers als ein komisches Blatt zu betrachten, als eine Art Kasperle der Zunft.
    Machefer hatte überhaupt nichts von einem Kasperle an sich, denn er war ein großer, alter Herr mit ganz blauen Augen, war geschniegelt und gebügelt, mit weißen Haaren im Bürstenschnitt und trug einen weißen Schnurrbart nach gallischer Art. Als nun jeder über Machefer genug gelacht hatte, nahm der Minister seine Schüler wieder an die Hand und deutete an, daß die Erholungspause lange genug gedauert hatte.
    »Laßt uns keine Zeit verlieren! Herr Machefer!«, sagte er, »vermutlich wollen Sie uns nicht mit Lappalien unterhalten. Ich bitte Sie daher, Ihre Frage zu stellen.«
    »Herr Minister«, begann Machefer, »nehmen wir an, die westlichen Staaten schließen sich dem Vorschlag der französischen Regierung an und verpflegen die Emigrantenflotte, solange sie unterwegs ist. Glauben Sie nicht, Herr Minister, daß damit der Feind versorgt wird, daß Sie eine Million Eroberer ernährt haben würden? Und wenn diese Flotte« – der Ton, der am Anfang noch beruflich sachlich klang, steigerte sich jetzt zum Verhör und brachte einige noch immer lachende Dummköpfe zum Schweigen – »dann die Küste Frankreichs erreicht hat und eine Million Menschen an Land gehen, hätte dann die französische Regierung noch den Mut, sich so vielen Menschen entgegenzustemmen, denen sie vorher geholfen hat?«
    »Das ist die richtige Frage«, dachte Dio, der die seinige nur gestellt hatte, um zu provozieren, weil er wußte, daß Machefer noch darauf eingehen würde. Da er die Debatte unter Hinweis auf humanitäre Verpflichtungen eröffnet hatte, wußte er auch, daß jede andere Betrachtungsweise verabscheut oder mindestens abgelehnt werden würde, weil der Mensch, der sich für edelmütig hält, nicht mehr wagt, böse oder mißmutig zu werden.
    »Herr Machefer, Ihre Frage ist gemein«, antwortete der Minister.
    »Fragt man einen Ertrinkenden, bevor man ihn aus dem Wasser zieht, wohin er gehen will und warum? Stößt man ihn wieder ins Meer, wenn er im schlimmsten Fall eingesteht, daß er auf Ihren Privatstrand zuschwimmt, um in Ihre Villa einzubrechen?«
    »Man zieht ihn aus dem Wasser und übergibt ihn der Gendarmerie«, sagt Machefer. »Aber wieviele Gendarmen haben Sie zur Verfügung, wenn eine Million Diebe aus dem Wasser gezogen werden?«
    Herr Jean Orelle zog sich glänzend zurück. Der Schriftsteller wurde wieder Minister. Er erwiderte:
    »Es besteht kein Grund zur Annahme, daß diese Flotte die Küste Frankreichs anlaufen wird, ja noch nicht einmal Europa scheint das Ziel zu sein. Aber menschlich gesehen könnten wir sie nicht aufhalten – wie sollte dies auch geschehen? Die französische Regierung hat beschlossen – ich werde Ihnen den Bericht noch vorlesen –, mit ihren westlichen Partnern einen allgemeinen

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