Das Heerlager der Heiligen
Herz sind nun die Weltverbesserer dran, die offenbar Ihnen gefallen. Verbessern Sie alles, was Sie wollen. Daran soll es nicht fehlen. Von diesen Themen haben wir für zehn Jahre Stoff genug, wenn Sie ihn richtig einteilen und die Hörer nicht plötzlich eine andere Art Unterhaltung wünschen. Aber rühren Sie nicht am Gefüge der Nation. Rühren Sie nicht am wirtschaftlichen System, das sie eher gut als schlecht im Schwung hält. Trotz Reibungen sind beide gut aufeinander eingestimmt. Und gestatten Sie mir den Hinweis, daß auch Sie sehr gut leben, viel besser als alle Unterdrückten, denen Sie Ihr tägliches Menü vorsetzen. Begnügen Sie sich damit, lediglich die Wunden au zeigen. Das reicht und wird vielleicht, auf lange Sicht gesehen, noch zu etwas nützlich sein.«
»Sie sind hart, spöttisch und gefühllos.«
»Danke. Mit andern Worten: klarsehend.«
»Nicht übel. Wenn an allen Kommandohebeln nur wenige, aber allmächtige Männer wie Sie sitzen, dann sage ich mir, daß die Gesellschaft wirklich verändert werden muß.«
»Nun gut, dann werden Sie sie eben vor andern Mikrophonen als den meinigen verändern, sofern Sie zukünftig nicht mit Ihrem Einsatz für die Gangesflüchtlinge aufhören.«
»Ich weigere mich.«
»Sehr gut. Schauen wir uns mal Ihren Vertrag an. Ein riesiges Abstandsgeld, wie üblich. Sie können ja rechnen! Wir werden zahlen.«
»Sie werden überhaupt nichts zahlen. Ich bleibe. Sie haben die Hauptsache vergessen. Lesen Sie bitte den Vertrag bis zum Schluß. Die Förderung durch die Gesellschaften, wie etwa der Klub ›Horizont‹, die Mineralölgesellschaft PERTAL, die Uhrenfirma TIP, die Immobiliengesellschaft ›Freude am Leben‹, die Französische Bank und die übrigen. Ich kenne meinen Aktenvorgang und alle diese Inserenten, die mit Ihrer Rundfunkstation nur deshalb einen Vertrag geschlossen haben, um die Sendezeit vor und nach meiner Sendung zu bekommen. Denken Sie daran, daß ich es war, der Ihnen diese Kunden gebracht hat. Wenn Sie mich rauswerfen, verlieren Sie dieselben. Viele hunderttausend Francs! Haben Sie diese Mittel? Von diesem Augenblick an geht es nicht mehr so flott …«
»Ich werde Ersatz für Sie bekommen. Sie sind nicht einmalig.«
»Sicher nicht. Aber im Vertrag steht mein Name. Auf jeden Fall werden meine geschätzten Kollegen Ihnen das gleiche Lied singen.«
»Ich werde Pierre Senconac einstellen.«
»Senconac! Mein lieber Freund, lernen Sie Ihren Beruf! Sie wissen genau, daß bezüglich Werbung durch Rechtsstehende nichts mehr verkauft wird, daß aber durch Linksstehende alles verkäuflich ist. Die Inserenten sind nicht verrückt, sie kennen sich aus. Was wird Senconac an meiner Stelle sagen? Ich höre ihn schon! Es gilt die Rasse zu retten, das Vaterland, selbst wenn es zu Grausamkeiten kommt. Laßt die Armada absaufen, jagt sie in ihre Wüste zurück oder sperrt ihre Passagiere in ein Konzentrationslager ein … Ein hübscher Wortschatz, den zukünftig keiner mehr hören will! Sie werden Erfolg haben. Bei solchem Hintergrund wird die Hörerzahl auf Null absinken. Und die Moral von der Geschichte? Nur Großzügigkeit macht sich bezahlt. Wenn Sie dies bezweifeln, dann rufen Sie doch mal an, zum Beispiel die Französische Bank oder den Klub ›Horizont‹. Sie werden sehen, was sie antworten werden …«
Es fand kein Anruf statt. Dies war unnötig, und der Direktor wußte es. Er gab nach.
»Na schön«, sagte er nachdenklich. »Sie sind so etwas wie ein trojanisches Pferd. Wir haben übrigens eine ganze Kavallerie in unseren Mauern. Selbst bei der Regierung findet man einige solcher erstklassigen Pferde. Bevor ich Sie sah, habe ich mit dem Präsidialamt telefoniert. Man hat mir bestätigt, daß der von Jean Orelle vorgelesene Bericht der offiziellen Stellungnahme der Regierung entspricht. Ich entnehme daraus, daß es einen offiziösen Standpunkt gibt, zweifellos den des Präsidenten, mit welchem die Pferde jedoch nicht einverstanden sind. Wenn Sie jedoch von der offiziellen Stellungnahme der Regierung nur um ein Jota abweichen, jage ich Sie davon, ob mit oder ohne Ihre Inserenten. Im Augenblick kann ich sicher nichts gegen Sie unternehmen. Sie haben eine Frist. Mein Verwaltungsrat braucht sehr schnell Geld. Sie haben recht, wenn Sie sagen, er nimmt es von den Linken. Das sind Schweine, aber auch Angsthasen und werden es sich vielleicht überlegen. Und wenn die Regierung ihre Meinung ändert und sich an uns wendet, um ihren Standpunkt der Öffentlichkeit
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