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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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klarzumachen, dann werde ich Sie sofort durch Senconac ersetzen. Hoffentlich wird dies sehr bald möglich sein!«
    Es wurde möglich, aber leider zu spät. Das Volk vom Ganges strömte bereits aus seinen Schiffen, als Frankreich eine andere Sprache hörte. Aber in den drogenverseuchten Gehirnen vermochte die Gegenströmung keine Reaktion mehr zu erwecken. Hierzu trugen auch die Kapitalisten bei, weil sie den Drogenhandel, die Quelle vieler Gewinne, zu sehr gefördert hatten. Vielleicht ist dies eine Erklärung …
    Nachdem Machefer Durfort angehört hatte, seufzte er:
    »Wenn ich daran denke, daß in zehn Minuten Boris Vilsberg uns auf dem Bildschirm beglücken wird! Ich muß den Juliénas aufsuchen. Ich sehe keinen andern Ausweg … Sie sind zu jung und können sich nicht daran erinnern. Es gab eine Zeit, da redete man mit diesen Burschen eine andere Sprache …«
    Er unterhielt sich mit drei jungen Leuten, die dicht gedrängt in seinem kleinen Büro saßen. Es waren drei Philologiestudenten, der ganze Redaktionsstab seiner kleinen Zeitung. Sie waren begabt und überzeugt, aber schlecht und häufig gar nicht bezahlt. Die Büromiete – drei Mansardenräume in der Rue du Sentier –, das Papier, die Schreibkraft, der Druck, der Versand und das Telefon verschlangen mehr als der Verkaufsumsatz der Zeitung »La Pensée Nationale« einbrachte. Von zehntausend gedruckten Exemplaren wurden viertausend verkauft, für eine Tageszeitung ein kümmerliches Ergebnis. Mit der Werbung wurde Juliénas bezahlt. Der alte Machefer aß Nudeln oder ließ sich in die Fakultätskantine einladen. In den vier Stockwerken des Gebäudes befanden sich die Druckerei und die Büros der Zeitung »La Grenouille«. Sie war ein satirisches, humanitäres Wochenblatt und Eigentümer des Gebäudes.
    Wenn am späten Abend Juliénas anrief und Machefer die einsame Treppe hochstieg, vergaß er nie, auf dem Fußabtreter vor der Redaktion von »La Grenouille« den Inhalt seiner Blase zu leeren. Das war schon Ritus. Das verstand sich von selbst. Der Direktor seufzte, ließ den Treppenabsatz reinigen und schickte einen Boten in die Mansardenräume im fünften Stockwerk, um der Form halber zu protestieren. Aber damit hatte es sein Bewenden. Mit unerklärlicher Langmut nahm er nicht nur die Verunreinigung des Treppenabsatzes hin und gab Machefer und dessen Zeitung Unterschlupf, er druckte auch noch »La Pensée Nationale«, trotz ihres Titels, trotz ihrer Ansichten und trotz der je nach Laune bezahlten Rechnungen. Diese Haltung eines Sonderlings, der offenbar noch Humor besaß, konnte jedermann verwundern, nur Machefer nicht. Als dieser eines Tages wieder einmal Juliénas herausgefordert hatte, weil er am hellen Nachmittag den Türvorleger vollpinkelte, stand er auf dem Treppenabsatz plötzlich dem Direktor von »La Grenouille« gegenüber.
    »Sie haben die Grenzen überschritten, Herr Machefer!« sagte der Direktor.
    »Nun, was soll's«, erwiderte der alte Machefer mit etwas belegter Stimme. »Ich weiß nicht, über was Sie sich beschweren. Das ist doch der übliche Geruch Ihres Revolverblattes, oder nicht? So riecht es innen wie außen. Wo ist da der Unterschied?«
    Der andere hob die Stimme: »Sie wissen, daß Sie keinen Mietvertrag und keine Druckerei haben und daß ich Sie noch heute abend hinauswerfen könnte, wenn ich wollte! … Ich frage mich, warum ich es nicht schon früher getan habe?«
    Machefer, dessen Geist zielsicherer war als seine Beine, erwiderte spöttisch: »Ich werde es Ihnen sagen, lieber Herr Kollege! Weil Sie im Namen der Pressefreiheit jede Schweinerei drucken und Millionen Schafsköpfe vergiften. Weil Sie im Namen der Pressefreiheit in aller Ruhe unter der bequemen Maske der Satire die Fundamente des Staates unterminieren können. Aber dem Volk gegenüber, das selbst in seinem jetzigen Zustand noch nicht völlig blind ist, brauchen Sie zur Glaubwürdigkeit und Wertschätzung eine Art Opposition. Augenblicklich haben viele wie Sie und Ihre Komplizen die Partie noch nicht ganz gewonnen. Daher brauchen Sie mich. Ich bin Ihr Alibi. Ohne mich und ein paar andere Überlebende, die fast genau so übel dran sind – Pfui Teufel! –, gibt es keine Pressefreiheit mehr, weil es keine Meinungsunterschiede mehr gibt. Zur gegebenen Zeit wird Sie dies nicht mehr stören. Aber Sie müssen noch etwas warten. Lassen Sie mich also ruhig auf Ihren Türvorleger pinkeln, und belästigen Sie mich nicht mehr. Sie wissen sehr wohl, daß Sie meine Zeitung

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