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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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läutete.
    »La Pensée Nationale? Hier ist das Nachrichtenbüro des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts«, sagte eine Stimme, die Machefer nicht bekannt war. Es war Jean Perret persönlich, der kleine Staatssekretär, der seine Stimme verstellte, um anonym zu bleiben.
    »Hier Chefredakteur Machefer. Bitte!«
    »Ohne natürlich jemanden beeinflussen zu wollen«, fuhr die Stimme fort, »wollen wir auf Wunsch des Ministers eine Presseumfrage durchführen, um anläßlich des Auslaufens der Gangesflotte die öffentliche Meinung zu erfahren …«
    »Ich sehe«, sagte Machefer, »Sie haben Schiß!«
    Der Staatssekretär unterdrückte ein Lachen. Schiß! Vielleicht. Aber Machefer merkte davon nichts. In Wahrheit handelte es sich auch nicht um eine Umfrage, sondern eben schlicht um einen Anruf.
    »Nur eine kleine Sondierung«, sagte die Stimme, »auf Wunsch von Jean Perret. Wollen Sie uns kurz antworten, Machefer? Wie denkt ›La Pensée Nationale?‹«
    Im Elysée-Palast wartete der Präsident der Republik auf die Antwort. Er hatte am gleichen Tag nacheinander den jämmerlichen Ministerrat und die Pressekonferenz des Herrn Jean Orelle über sich ergehen lassen müssen. Nachdem er sich in seine Privaträume zurückgezogen hatte, wo er seinem Zorn freien Lauf ließ, hörte er die Berichte von Albert Durfort und Boris Vilsberg, die ihm das Ausmaß der schrecklichen Verwirrung der Meinungsmacher unserer Tage so recht zum Bewußtsein brachten. Er hatte sich auf manches gefaßt gemacht, aber dies ging zu weit. Von einer Seite alles verlangen, von der andern nichts.
    Der Präsident hatte dann Jean Perret unter der Privatnummer des Staatssekretärs angerufen. »Herr Perret«, sagte der Präsident, »wundern Sie sich nicht über meinen Anruf, und behalten Sie ihn bitte geheim. In dieser Gangesangelegenheit vertraue ich nur Ihnen. Warum, brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Rufen Sie Machefer vertraulich unter irgendeinem Vorwand an und versuchen Sie zu erfahren, ob seine Zeitung Stellung nehmen wird. Es ist unmöglich, daß gewisse Dinge nicht gesagt werden. Beim gegenwärtigen Stand der Meinungen sehe ich nur ihn als denjenigen, der den Mut hat, diese Dinge beim Namen zu nennen …«
    »Das ist sehr ehrenvoll!« bemerkte Machefer, als ob er irgendwelche Zweifel hätte. »Darf ich Ihre Anfrage als ernst gemeint betrachten?«
    »Sie können es tun«, antwortete die Stimme. »Also?«
    »Ich werde mich nicht rühren«, sagte Machefer. »Mit keinem Wort. Ich bin allein und zu schwach. Die andern sind zahlreich und allmächtig. Ich kann nur eine Salve abfeuern und leider nur mit kurzer Reichweite. Wenn sie ihr Ziel erreichen soll, muß ich als letzter schießen, in der Stunde der Wahrheit.«
    »Wirklich nicht früher?« fragte die Stimme enttäuscht.
    »Nichts. Doch etwas? Ich werde jeden Tag auf der ersten Seite eine Landkarte bringen. Mit einer punktierten Linie werde ich den vermutlichen Weg der Flotte nach Frankreich anzeigen und mit einer fetten Linie den bereits zurückgelegten Weg. Kein Kommentar dazu, aber eine Überschrift: Über X Kilometer vor der Stunde der Wahrheit. Das ist alles.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte kurz die Stimme …
    Am nächsten Tag kam ein Eilbote in das Dachgeschoß von »La Pensée Nationale« und verlangte Herrn Machefer persönlich. »Das bin ich«, sagte Machefer überrascht. »Ein Moment«, erwiderte der Eilbote, zog ein Foto aus seiner Tasche und verglich es mit Machefer. »In Ordnung«, sagte er. Dann legte er ein Paket auf den Schreibtisch und verschwand, ohne ein Wort zu sagen. Im Paket fand Machefer zweihunderttausend Francs in gebrauchten Noten zu hundert Francs, dazu auf einem weißen Zettel folgende mit Schreibmaschine geschriebenen Worte ohne Unterschrift: »Warten Sie nicht zu lange!«

18.
     

    In Zeiten großer nationaler Kriege pflegte bei den betroffenen Völkern mancher in seiner Küche oder seinem Wohnzimmer eine Landkarte aufzuhängen, auf der abends bei den Nachrichten die strategischen Bewegungen und die jeweilige Frontlinie mit kleinen Fähnchen abgesteckt wurden. In Frankreich ist man 1940 von diesem Brauch abgekommen, da der Wind der Katastrophe und später der Gleichgültigkeit die Papierfähnchen wegblies. Im Krieg interessierte sich schon niemand mehr für den Krieg, und daher kam auch dieses Brauchtum völlig abhanden.
    Die tägliche Karte von »La Pensée Nationale«, die immerhin ein riesiges Operationsfeld und den Vormarsch einer Armee veranschaulichte, schlug bei der

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