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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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versteht sich! Aber auf einem Kriegsschiff ist die letzte Operation, die dem Feuerbefehl unmittelbar vorausgeht, das Zieleinstellen bei den Geschützen, den Raketenwerfern und so weiter. Ob nun die Operation automatisch oder nicht automatisch abläuft, bei naher Entfernung zum Ziel weiß die Bedienungsmannschaft genau, auf was sie schießt. Herr Präsident, genau in diesem Augenblick hatte ich nur noch ein Schiff voll Meuterer geführt. Weinende, ehrerbietige, niedergeschlagene Meuterer, wie man will, aber eben Meuterer. Ich habe den Kampf täuschend gespielt, daß die Mannschaft ihn für echt hielt! Auf der Kommandobrücke bekam ich von allen Gefechtsständen laufend Anrufe. Eindeutige Sätze, die nie zuvor der Kommandant eines Kriegsschiffes zu hören bekam. ›Hier ist der Geschützturm. Herr Kommandant! Herr Kommandant! Wir werden nicht schießen! Wir können nicht …! Hier ist das vordere Maschinengewehr. Es geht nicht, Herr Kommandant! Geben Sie nicht diesen Befehl! Wir verweigern den Gehorsam!‹ Wenn man mit einem Maschinengewehr schießt, sieht man tatsächlich sehr gut, wen man tötet … Ein einziger Trost: Der ängstliche Ton der Stimmen. Hoffnungslose Kinder! Ich ging dann an das Mikrofon, drückte auf den Knopf, der mich mit dem ganzen Schiff verbindet, und sagte: ›Die Übung ist beendet, Kinder, die Übung ist beendet.‹ Das ist normal nicht vorgesehen. Aber ich war genauso bestürzt wie sie.«
    »Es war noch etwas, Herr Kommandant, glaube ich. Der dritte Teil Ihres Auftrags.«
    »Ich komme darauf, Herr Präsident. Leider! Eine Viertelstunde später habe ich entsprechend Ihrer Anweisung erneut das Wort ergriffen und etwa folgendes gesagt: ›Hier spricht der Kommandant. Sie haben an einer Übung von psychologischem Charakter teilgenommen, was es in unserer Marine bisher noch nicht gegeben hat. Daher werden auch die Ungehorsamkeiten, wie sie vorgekommen sind, keinem nachgetragen werden. Sie sind vergessen. Sie müssen vergessen bleiben. Sie waren sozusagen ein Teil der Übung. Verstehen Sie mich richtig. Wir haben vor uns ein Phänomen, wie es auch noch nicht da war, nämlich das friedliche, aber in unsern europäischen Ländern weder erlaubte noch erwünschte Auftreten dieser Flotte voll Einwanderer vom Ganges. Ihr habt Zeit gehabt, sie aus der Nähe zu betrachten und zu beurteilen. Nun, Sie, wir, das Begleitschiff 322, wir sind als Kriegsschiff Versuchskaninchen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine neue Art moderner Kriegführung, bei welcher der waffenlose Feind im Schutz seiner Armut angreift. Dieser Kriegsart versuchen wir, uns anzupassen. Das ist die Aufgabe des Begleitschiffs 322. Und nun müssen Sie sich vorstellen, diese Flotte habe die Absicht, bei uns in Frankreich zu landen. Aus Gründen, die Ihnen vielleicht soeben klar geworden sind, die aber die Regierung abwägen muß, könnte es sein, daß unsere Marine den Befehl bekommt, sich dieser Schiffe zu bemächtigen, um sie zur Umkehr über den Suezkanal nach Indien zu zwingen, das sie nie hätten verlassen dürfen. Natürlich würde diese erzwungene Rückkehr unter Wahrung aller humanitären Maßnahmen erfolgen, die Sie sich wünschen. Für den Ernstfall, wenn also unsere Regierung es für angezeigt halten würde, zum Schutz unseres Landes die Gangesflotte abzufangen, müssen wir jetzt eine weitere, besonders delikate Übung durchführen, das heißt, einen Testfall erproben. Demzufolge werden in einer Viertelstunde Marineinfanteristen und ein Kommando eingeschifft werden, um das friedliche Abfangen eines Schiffes zu versuchen. Wenn der Versuch gelingt, wird das Schiff sofort wieder geräumt. Es handelt sich also nur um eine allgemeine Übung …‹
    Ich habe meine Ausführungen etwa mit den Worten beendet: ›Ich zähle auf Euch.‹ Das war vielleicht ein wenig dürftig. Aber was hätte ich sonst noch sagen sollen? Stellen Sie sich vor, ich hätte mich bei dieser Art Feind militärisch ausgedrückt? Übrigens, Herr Präsident, die militärische Ausdrucksform wird überhaupt nicht mehr anwendbar sein. Heutzutage bringt sie jedermann zum Lachen, selbst die Militärs …«
    »Ich weiß«, sagte der Präsident, »und wenn es nur um den militärischen Wortschatz ginge! Wenn ich, zum Beispiel, dem Volk meine Wünsche vortrage, macht sich, offen gesagt, jedermann über mich lustig. Alles, was einfach, klar und menschlich ist, wird gemeinhin ins Groteske umgeformt … Lassen wir es! Wie ist die Operation zu Ende gegangen, Herr

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