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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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zufrieden, einige pfiffen und reizten dadurch Mac Donald junior noch mehr. Es gab in New City nicht mehrere, sondern nur einen einzigen Preisrichter mit diktatorischer Gewalt.
    Hanska kam an die Reihe. Seine Aussichten waren gestiegen, da seinen gefährlichsten Konkurrenten Punkte fehlten. Er saß, wie üblich, auf der Wand der Box, in der sich das ihm zugeteilte Pferd befand, ein vielleicht sechsjähriger Brauner, wie er taxierte, mager, sehnig, vermutlich nicht zum erstenmal in der Arena, schon wütend-nervös, da der Lederriemen das Tier störte, und im Bewußtsein, daß die Tür aufgehen mußte, damit es hinauspreschen und entweder den verhaßten Reiter abwerfen oder die zehn Sekunden durchstehen konnte, bis der Kampf zwischen Reiter und Pferd mit dem Absitzen des Reiters endete.
    Zwei Reiter hielten sich in der Arena bereit, um bei einem etwaigen Unfall dem Reiter beizustehen, auf alle Fälle aber ihn nach zehn Sekunden vom bockenden Pferd zu nehmen, das Tier von dem Lederriemen zu befreien und es wegzuführen.
    Das Zeichen wurde gegeben. Hanska sprang von der Bretterwand auf den Pferderücken – ein anderes Aufsteigen war nicht möglich –, die Tür wurde sofort mit einem einzigen Ruck aufgerissen, wie es sich gehörte; der Braune sprang mit einem Satz hinaus und schlug auch sofort hoch nach hinten aus, den Kopf tief zu den Vorderbeinen gesenkt. Mit diesem Manöver hatte er schon manchen Reiter in den ersten beiden Sekunden auf den Boden gelegt, aber mit Hanska gelang ihm das nicht. Die Schenkel fest anschließend, hatte sich Hanska weit zurückgebeugt und blieb oben. Der Braune stieg und schlug mit den Vorderbeinen in die Luft, aber die Klammer von Hanskas Schenkeln ließ nicht los. So mußte sich der Braune auf seine weiteren Tricks besinnen. Hanska hatte keinen Zügel zur Verfügung, sondern nur einen im Maul des Tieres befestigten Strick, den er mit einer Hand halten konnte. Der Braune wollte sich hinwerfen, was Hanska mit Mühe verhinderte. Schließlich besann er sich auf das Katzbuckeln und warf Hanska in die Luft, aber dieser Reiter landete dreimal wiederum auf dem Pferderücken.
    Die Zeit war um, Hanska hatte »die Zeit gemacht«. Die beiden Helfer kamen, aber Hanska sprang – was sehr selten riskiert wurde – selbst vom bockenden Pferd, dem er im letzten Moment den Riemen noch selbst gelockert hatte. Das hatte er bei seinem Lehrmeister Inya-he-yukan geübt. Die Zuschauer bewunderten ihn, wenn der Beifall auch begrenzt blieb, da der Reiter ein Indianer war, der einzige Indianer überhaupt, der an den Wettbewerben teilnahm. Reiter und Pferd hatten eine vorzügliche Leistung geboten, schwierig, einfallsreich, korrekt, mit der Eleganz der Bewegung, die aus Kraft und Sicherheit erwuchs. Mac Donalds Laune neigte sich diesem Wettkämpfer zu; wenn er dem Indianer den einwandfrei gerechtfertigten ersten Preis gab, konnte er damit seinen Kritikern trotzen, und er tat es. Was waren schon die Namen Shill und Archibald, so oft zu Unrecht bevorzugt, gegen den Namen Mac Donald junior, Sohn jenes Mac Donald senior, der Jahre hindurch zu den Preisrichtern in Calgary gehört hatte und dessen Ruf wie ein Fels stand, den Sohn noch mit deckte?
    Joe Bighorn: »Die Zeit und alle Punkte gemacht.« Das war der Sieg, so wie ihn einst Inya-he-yukan für sich verbucht hatte.
    Mac Donald junior, der Erbe väterlichen Ruhms, ahnte in seiner Selbstbewertung noch nicht, daß er nur selten mehr als Preisrichter eingesetzt werden würde.
    Ite-ska-wih war aufgestanden. Sie jubelte lautlos. Die Kinder jubelten laut und hell. Harry glühte im Wunsch, es Hanska einmal gleichzutun.
    »Wie Joe«, sagte Margret wieder vor sich hin und hatte Tränen in den Augen.
    Hanska selbst ließ sich nicht sehen. Ite-ska-wih wußte und verstand das. Er hatte noch den Wettbewerb »Bronc mit Sattel« vor sich und brauchte die Zwischenzeit zum Ausruhen. Die zehn Sekunden Kampf auf dem sattellosen Pferd waren eine Höchstleistung für Mensch und Tier gewesen, und eine nicht geringere stand bevor. Es gab kaum einen Cowboy, der sich vornahm, beide Konkurrenzen am gleichen Tag zu bestreiten, wenn es auch »all round«-Sieger gab, die im Laufe eines Sommers sich in allen Sparten als die Besten auswiesen. Aber das waren Leute, die Spezialisten waren wie Joan Howell.
    Harry schloß sich auf. Hanska hatte ihm den Schlüssel dazu gegeben, ihm, Kte Ohitaka. Er wunderte sich über sich selbst, aber mit Ite-ska-wih konnte man reden; Margret konnte man zuhören

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