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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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lassen. Krause war zu seinen Freunden und Kunden weggegangen.
    »Nun überlege dir das«, sagte Harry ernsthaft wie ein Großer und hockte sich unmittelbar neben Ite-ska-wih. »Ich will einmal Rancher werden, Pferderancher oder Büffelrancher oder beides. Mit Hanska zusammen. Gleich unserem Vater Inya-he-yukan. Ich muß also reiten können.«
    »Das kannst du doch längst.«
    »Seit sechs Jahren, wenn du so willst; mit vier habe ich angefangen. Aber das ist ja noch kein Reiten, was ich mache. Sieh dir Hanska genau an, dann weißt du, was reiten heißt. Also ich muß weiter lernen. Kann ich das an der Boardingschool von Missis Holland? Nein. Sie haben keine Pferde für uns. Am Weekend bin ich bei euch. Ich werde also ein Sonntagsreiter. Lächerlich. Ich muß zu euch nach Hause und in die Tagesschule gehen. Begreifst du das?«
    »Begreife ich schon, aber…«
    »Über das ›aber‹ habe ich nachgedacht. Wir wissen doch beide, Ite-ska-wih, worüber wir beide nicht reden. Ich habe also einen Plan ausgeheckt. Ich werde bei Frau Holland der gehorsamste und fleißigste Schüler sein, den sie hat. Das ist ein Wettbewerb, wie im Rodeo. Wasescha hat das auch mal so gemacht. Sogar bei Wyman! Schließlich werden alle einsehen, daß ich in die Tagesschule gehen kann. Ihr müßt mir helfen, damit ich meinen Plan ausführen kann. Okay?«
    »Okay.«
    »Dann kann ich jeden Abend noch auf die Weide, im Sommer auch frühmorgens. Gut?«
    »Gut.«
    »Ich werde dir etwas gestehen, Ite-ska-wih; du bist meine Geheimnisfrau. Ich hatte mir ein Messer besorgt und es in meiner Matratze versteckt. Eines Tages hätte ich Wyman erstochen. Ich habe nur auf den Moment gewartet.«
    Ite-ska-wih verbarg das Gesicht in den Händen. »Sei froh, Ohitaka, daß du es nicht tun mußtest.«
    »Ich bin froh. Es hätte mir nichts genützt, den andern Kindern auch nicht; sie hätten nur einen noch Ärgeren an die Stelle Wymans gesetzt. Die Weißen sind eben so.«
    »Wie sind sie?«
    »Daß sie solche bissigen Kojoten und Stinktiere für ihre Herrschaft brauchen.«
    »Meinst du?«
    »Ja. Aber es gibt einen anderen, den ich töten muß, den Mörder meiner Mutter.«
    »Du weißt, wer es ist?«
    »Ah, du glaubst mir?«
    »Ich glaube dir.«
    »Ich darf sprechen?«
    »Erst einmal bei mir und Hanska.«
    »Louis White Horse ist es gewesen. Die andern waren nur dabei. Er muß sterben. Aber die Watschitschun verfolgen ihn nicht und richten ihn nicht. Ich werde es einmal tun müssen.«
    »Louis White Horse – Wasescha hat ihn erschossen.«
    »Erschossen? Er ist tot?«
    »Ja. Das ist eine lange Geschichte. Aber Wasescha wurde freigesprochen.«
    Harry tauchte unter in Schweigen und Nachdenken. »Ich werde es alles genau erfahren müssen«, meinte er endlich. »Ihr seid meine Schwestern und Brüder und meine Mütter und Väter. Hau.«
    Er legte sich ins Gras, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schaute in den blauen Hitzehimmel. Der Beginn der nächsten Veranstaltung, des Steer-wrestling, war noch nicht angekündigt. Die Wirte, die die Buden aufgestellt hatten, brauchten die längere Pause, um ihre Hot Dogs, Hamburger und Hähnchen abzusetzen. Getränke hatten schon nachgeliefert werden müssen; es war sehr heiß.
    Dieser und jener Freund und Bekannte ließ sich noch sehen. Wakiya und Elwe waren zu Hause geblieben, da Wakiya die Anstrengung und Aufregung fürchtete. Bob war bei den Herden geblieben und hatte nur seine Pflegekinder nach New City gehen lassen; Familie Patrick Bighorn unten im Tal hatte sie mitgenommen. Wasescha hütete sein Tipi. Die Verwaltung schien kein Interesse zu haben.
    »Aber doch!« rief Krause und benutzte sein Fernglas, um die Tribünen abzusuchen. »Da sind sie ja! Die beiden Unzertrennlichen, unsere Damen Carson und Bilkins, dazu Haverman vom Ökonomiedezernat – hier mein Glas, Mara, schau dir das an! Übrigens sitzt Percival einsam und allein da; seine Freundin scheint wieder mal unterwegs zu sein.«
    »Ja, unterwegs zu euch!« sagte die angenehme Mädchenstimme. »Solange halte ich das bloße Herumsitzen nicht aus, ist ekelhaft langweilig. Von den Reitern läßt sich auch keiner blicken. Wo steckt dein Joe, Mara? Er war wunderbar, einfach wunderbar! Hast du ein Glück. So einen Mann! Liebe auf den ersten Blick?«
    »Gibt es das, Larissa? Was meinst du?«
    »Schon – ja, doch.« Larissa setzte sich, ihr Kleid sorgfältig schonend. »Als mich Percival mal mit aufs Pferd nahm – ich hatte einen sehr langen Weg zu Fuß zu machen – ja,

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