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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mauer des Fabrikhofes und schien zu warten. Die Mütze hatte er wie alle deutschen Soldaten über die Ohren gezogen, die Arme wärmend gegen den Körper gepreßt. Es hatte geschneit, und der Mann hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Schnee von sich abzuklopfen.
    Knösel blieb vorsichtig am Eingang des Hofes stehen. In Stalingrad gab es nichts, was unmöglich war, und ein Mann, der sich einschneien läßt und doch lebt, ist eine merkwürdige Sache. Knösel entsicherte seine Maschinenpistole und hob sie hoch.
    »He, Kumpel!« schrie er aus seiner Deckung heraus. »Ick würd' mir 'nen wärmeren Platz zum Pennen aussuchen!«
    Der deutsche Soldat schreckte auf und hob den Kopf. Er wischte den Schnee von seinem Gesicht und grinste zu Knösel hinüber. Dann stand er auf und kam auf ihn zu. Erst als er zwei Meter vor Knösel war, erkannte ihn dieser.
    »Meine Fresse!« sagte er laut. »Du? In deutscher Uniform?! Biste überjeschnappt?!«
    Iwan Iwanowitsch Kaljonin streckte beide Hände aus.
    »Isch habbe gewartet. Briederchen … verrat mich nicht.«
    Knösel zog Kaljonin hinter seine Deckung. Er war so verblüfft, daß er nach Worten suchte und keine fand. Er sah sich die Uniform an. Sie war im Rücken zerfetzt und blutig. Die Uniform eines Toten.
    »Mensch, wat soll det?« stotterte er.
    Kaljonin umarmte ihn und küßte ihn wie einen Bruder auf beide Wangen.
    »Ich weiß, Veraschka ist bei euch, nicht wahr?« sagte er danach.
    »Ja –«
    »Briederchen, ich bitte dich … laß mich zu ihr. Verrat mich nicht … Bittää …«
    »Du bist total verrückt, Iwan …« Knösel saß ein dicker Kloß im Hals. »Das fällt doch auf …«
    »Bittää –«
    Kaljonin griff in die Tasche. Als er die Hand wieder ausstreckte, war sie mit Machorkastückchen gefüllt. Knösel schluckte krampfhaft.
    »Wir haben nichts zu fressen, Junge«, sagte er heiser. »Bei uns kannste nur verhungern …«
    »Laß mich zu Veraschka, Briederchen …«
    Kaljonin umklammerte den Arm Knösels. In seinen Augen schrien Angst und unendliche Bitte. »Verrat mich nicht …«
    Knösel setzte sich langsam auf einen Mauerrest. Ein Gedanke war ihm gekommen, eine Versicherung zum Leben.
    »Hör zu, Iwan«, sagte er und zog Kaljonin zu sich auf den Mauerrest. »Wir zwei sind 'ne Marke für sich! Daß du 'n Iwan bist und ich 'n Germanskij, det is nun Wurscht. Menschen sind wir, und bei mir zu Hause wartet Mariechen auf mir. Ick schlag dir ein Geschäft vor … einverstanden?«
    Kaljonin nickte und lächelte selig.
    »Kriegg kaputt –«, sagte er. »Aber nicht wir …«
    »Genau det meine ich.« Knösel legte den Arm um Kaljonins Schulter. »Und nun paß mal uff –«
    Bevor er weitersprach, kassierte er erst die Machorkakrümel aus der Hand Kaljonins. Für Iwan Iwanowitsch war damit der Vertrag perfekt geworden, für Knösel war es lediglich eine Anzahlung. Seine große Stunde war gekommen: Er würde Stalingrad überleben.
    »Ick nehm dir mit in'n Keller«, sagte er.
    »Gutt, Briederchen.«
    »Ick saje, du seist 'n alter Kumpel von mir, den ick jerade wiedergetroffen habe. Aus Schlesien, vastehste! Du bist aus Schlesien. Aus Ratibor, wenn dir eener fragt.«
    »Ratibor –«, wiederholte Kaljonin und nickte.
    »Det is 'ne Stadt. Da ha' ick 'nen Onkel wohnen. Onkel Christian … den kennste ooch, wenn dir eener fragt …«
    »Onkel Christian …«, wiederholte Kaljonin brav. »Ratibor … Onkel Christian …«
    Knösel winkte ab. »Am besten hältste de Schnauze, Kumpel! Det is am unjefährlichsten. Nur eener kann dir frajen, det is eener von der Feldpolizei. Der Rottmann. Zu dem sagste schlicht: Leck mir am Arsch! Kannste det?«
    »Läck mir –« Kaljonin verzog das Gesicht. »Nix gutt, Briederchen …«
    Knösel wischte sich den Schnee aus dem Gesicht. Er war an den Bartstoppeln zu Kristallen gefroren. »Stell dir doof«, sagte er als letzte Rettung. »Det fällt am wenigsten uff. Det sind se jewöhnt … von mir, mußte wissen. Die halten mich nämlich alle für doof!« Knösel grinste und klopfte Kaljonin auf die Schulter. »Mit der Masche bin ick heil herumjekommen, und ick komme auch aus Stalingrad raus, wat? Und nun zu uns, Iwan. Ick helfe dir … du hilfst mir.«
    »Ja, Briederchen.«
    »Wenn die Scheiße hier zu Ende is, denn gehste hin zu deine Jenossen und sagst: Det da is der Knösel, dem tut man nischt. Der kriegt erst mal 'nen Schlag zu fressen …«
    Kaljonin nickte und reichte Knösel die Hand. »Du nix Angst vor Russki …«, sagte er fast

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