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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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feierlich. »Isch dich beschützen, värstandenn?«
    »Und wie!« Knösel schlug die Arme gegen seinen Körper, die Kälte drang durch bis zu den Knochen. »Und nu komm, Friederich … Ach ja, so heeste jetzt. Sag mal Friederich.«
    Kaljonin versuchte es – es klang kläglich. Er hob bedauernd beide Arme.
    »Ich nix sagen …«
    »Himmel noch mal! Dann nenn ick dir Peter!«
    »Piotr!« sagte Kaljonin stolz.
    »Peter, du Dussel!«
    »Peter, du Dussel …«, echote es laut.
    Knösel sah Kaljonin mit geneigtem Kopf an. »'n bisken doof is schön«, sagte er. »Aba bei dir habense det Jehirn ausjeblasen …« Er gab ihm einen Rippenstoß und ließ sich in den Schnee gleiten. »Komm, Peter … wejen deiner Brieder müssen wir jetzt krabbeln.«
    So kamen sie im Lazarettkeller an. Aber niemand fragte sie, keiner beachtete den deutschen zerlumpten Soldaten, dessen Uniform am Rücken zerfetzt und blutdurchtränkt war. Nur ein Sanitäter registrierte mit einem Blick den Neuzugang und fragte im Vorbeigehen: »Gehfähig?«
    Kaljonin nickte hilflos.
    »Keller 5. Such dir 'nen Platz …«
    Knösel suchte Emil Rottmann, die einzige Gefahr. Er fand ihn an der Wand hockend und schlafend. Kaljonin stand noch immer am Ende der Treppe und starrte in das Gewimmel der eiternden und sterbenden Leiber, in das Gewimmel und Gestöhne, das Schreien und Greinen, auf die aufgequollenen Körper, die über den Steinboden zuckten, auf die beiden Pfarrer, die von Mann zu Mann gingen, niederknieten, beteten, die Hand hielten, die Augen zudrückten, das Kreuz schlugen und weitergingen. Boten Gottes, die in der aufgebrochenen Hölle von Liebe sprachen.
    Kaljonin sah ihnen zu, und sein Herz wurde schwer. Er dachte an seine Ausbildung … die Schule mit dem Leninbild und dem eingehämmerten Satz: »Religion ist Opium fürs Volk«, bis sie es alle glaubten und mit nach Hause brachten, wo die Mutter noch immer den Herrgottswinkel mit der Ikone und dem Ewigen Licht schmückte. Die Komsomolzenschule, die Besichtigungen der herrlichen Kirchen und Kathedralen, in denen jetzt Museen waren oder gar – dreimal hatte es Kaljonin gesehen – eine Wodkadestillerie. Als der Vater starb – er war ein guter Kommunist geworden und marschierte mit seiner Arbeiterbrigade am 1. Mai und am Oktoberrevolutionstag über den Roten Platz und schrie mit den anderen »Sieg! Sieg!« und »Freundschaft! Freundschaft!« – bekam er ein Parteibegräbnis 1. Klasse. Rote Fahnen, Abschiedsworte, im offenen Sarg, wie es üblich war, trug man ihn durch die Stadt zum Friedhof, bedeckt mit dem Fahnentuch der Partei, Mamuschka nahm noch einmal Abschied und küßte ihn auf die Stirn, Lubja und Katenka, die Klageweiber, heulten wie hungrige Wölfe, dann wurde der Deckel draufgeschraubt und der Sarg in die Grube gesenkt. In der Nacht aber war das zweite Begräbnis des Iwan Gregorowitsch Kaljonin. Da stand die Witwe Irena allein mit ihrem Söhnchen Iwan Iwanowitsch am Erdhügel, und ein Pope segnete den Toten ein, wie es seit Jahrhunderten Sitte war bei anständigen Menschen. Das hatte Iwan Iwanowitsch nie vergessen … und jetzt sah er es wieder, als er die deutschen Pfarrer von Mann zu Mann gehen sah, betend und tröstend, denn ein solcher Mensch hat nichts mehr als seinen Gott …
    Knösel kam zurück. »Die Luft is rein«, sagte er. »Emil pennt. Ick bring dir zu Vera …«
    »Veraschka …« Durch Kaljonin lief ein Zittern. Knösel faßte ihn am Arm.
    »Nu beherrsch dir, Iwan …«, sagte er dumpf. »Laß de Hose oben …«
    Kaljonin sah Knösel fragend an. Er verstand ihn nicht. Der Keller bebte plötzlich, von oben, vom Eingang, prallte Geschrei gegen die Mauern. Ein Mensch rollte die Treppe herab … er hatte nur noch einen halben Kopf, das Gehirn klatschte über die Steinstufen.
    »Eure Artillerie …«, sagte Knösel heiser. Er zerrte den Toten vom Eingang weg in eine Ecke, über einen anderen Mann, der rot und gut genährt wie ein Kantinenwirt aussah. Fast schien er zu platzen … Fieber und Wundbrand hatten ihn wie einen Ballon aufgetrieben. Aber er lebte noch, er hatte die Augen offen. Ob er noch etwas sah und erkannte, interessierte keinen mehr.
    »Wo Vera?« flüsterte Kaljonin.
    »Komm …«
    Sie stiegen über die Körper, traten auf Hände und Arme, Schenkel und Bäuche, wurden gestoßen, geboxt, getreten, verflucht und kamen an den kleinen Keller, in dem neben Oberst Sabotkin, dem Helden der Nation, Olga Pannarewskaja, Dr. Sukow und nun auch Vera hausten. Knösel zeigte auf

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