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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rokossowskij in seinem großen Ultimatum angeboten hatte: Ehrenvolle Behandlung, Verpflegung für jeden, ärztliche Betreuung der Verwundeten und Kranken, Belassung der Degen für die Offiziere.
    Man hörte sich den Major der Gardedivision an und schickte ihn zurück. Ohne Antwort. Das alte Mißtrauen gegenüber russischen Versprechungen bestimmte in dieser letzten Stunde das Handeln. Ein Mißtrauen, das die Armeeführung davon abhielt, sich eines Besseren belehren zu lassen. Und der Gehorsam des deutschen Soldaten, der ihn noch zur Pflicht zwingt, wenn die Sinnlosigkeit offensichtlich ist … ein menschliches Phänomen!
    Das letzte Kapitulationsangebot war vertan.
    In der Nacht zum 26. Januar trat rund um den zusammengeschrumpften Kessel, der nur noch die Stadt und einige Außenbezirke und Vororte umschloß, die Rote Armee zum letzten Schlag an.
    135.000 deutsche Soldaten machten sich zum Sterben bereit.
    Am Morgen des 26. Januar, umtost von dem ununterbrochenen Donner sowjetischer Artillerie, eingekreist von zwei Roten Armeen, in die Zange genommen von Hunderten von Panzern, lagen Knösel, Emil Rottmann und Dr. Körner in einem überdachten MG-Stand und beobachteten die Straße vor sich. Sie warteten auf eine Atempause der Geschütze. Fünfzig Meter vor ihnen war ein deutscher Bataillonsgefechtsstand gewesen. Ein Panzergranatenvolltreffer hatte ihn aufgerissen, nun lagen in den Trümmern des Bunkers drei Offiziere und vier Landser, verwundet, zugedeckt von einer Granatglocke, unter der sie wie in einem luftleeren Raum lebten.
    Das Artilleriefeuer wurde vorgelegt. Eine Feuerwand wanderte durch die Trümmer, ein flammender Tornado, der hinter sich Staub und Steine ließ, aus denen einmal Häuser bestanden hatten.
    Knösel, der hinter dem MG hockte und aus seiner schmurgelnden Pfeife rauchte, hob plötzlich den Kopf und drückte den Sicherungsflügel weg.
    Durch die Ruinenreste sprang eine dunkle Gestalt, warf sich hin, robbte weiter, blieb wie tot liegen, rollte dann in Trichter, krabbelte wieder heraus und hetzte durch die Trümmer, schnell, gazellenhaft springend, ein dunkler, tanzender Punkt.
    »Da kommt Besuch«, sagte Knösel und visierte die Gestalt an. »Direkt auf uns zu. Nur kann ick nich sehen, ob det eener von uns is …«
    »Warten Sie ab«, sagte Dr. Körner.
    Emil Rottmann starrte mit brennenden Augen zu der laufenden Gestalt. Für ihn war der Augenblick des Überlaufens versäumt. Vor drei, vier Tagen wäre es noch möglich gewesen, jetzt war es Selbstmord, in diese Flammenwand hineinzulaufen … Wahnsinn, wie diese Gestalt, die aus dem Flammenmeer herausstürzte und vor ihm her lief.
    Rottmann legte sein Gewehr auf die Steinbrüstung des Unterstandes und zielte auf den hüpfenden Körper. In diesem Augenblick, bei einer Wendung des Kopfes, sah er das Flattern langer schwarzer Haare. Dann war die Gestalt hinter einer Mauer verschwunden.
    Auch Körner hatte es gesehen. Ein Schlag fuhr durch ihn. Dann sprang er auf und wollte aus dem Unterstand laufen. Knösel hielt ihn am Mantel fest.
    »Herr Assistenzarzt!« schrie er. »Det is doch Blödsinn!«
    »Lassen Sie mich, Knösel!« Dr. Körner zerrte an seinem Mantel. »Sehen Sie denn nicht … das ist doch Olga Pannarewskaja … das ist Olga …«
    »Und wenn … die Iwans schießen nich mit Pappkorken …«
    »Loslassen …!« Dr. Körner schlug auf Knösels Hände. Fast rangen sie miteinander, aber es gelang Knösel, Dr. Körner unter das Schutzdach des Unterstandes zurückzuziehen.
    Sie kamen im richtigen Augenblick zurück. Emil Rottmann stand mit einer unheimlichen Ruhe an seiner Schießscharte. Er hatte den springenden Körper im Visier, er verfolgte mit dem Gewehrlauf die Bewegung und wartete auf den Moment, in dem er genau auf die Mitte abdrücken konnte. Sein Finger lag bereits gekrümmt am Druckpunkt des Abzuges.
    »Nein!« brüllte Dr. Körner. »Rottmann! Nein! Nicht schießen!«
    »Dieses verfluchte Aas …«, sagte Rottmann mit seiner gutturalen Stimme. »Dieses verfluchte rote Aas …«
    »Nicht schießen!« Körner sah, wie Olga Pannarewskaja über einen Mauerrest sprang und frei, ohne noch weiter nach Deckung zu suchen, über die Straße lief, genau auf ihren Unterstand zu … genau in das kleine, dunkle Loch hinein, aus dem Rottmann die tödliche Kugel abfeuern würde.
    Knösel war um den Bruchteil einer Sekunde schneller. Während Dr. Körner starr, ohne Möglichkeit zu helfen als nur zu brüllen, an der Unterstandwand lehnte, waffenlos

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