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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nackter Verwundeter, und was Kubowski sah, war nicht danach, ihm wohler werden zu lassen. »Die Leichtverwundeten in Keller V, verdammt noch mal! Wo ist Piotr, der faule Hund?!«
    »Guten Morgen, Genosse Majorarzt!« sagte Major Kubowski und griff an seinen dicken Kopfverband. »Ich dachte, die Genossin Pannarewskaja hier zu treffen.«
    »Nein!« Der Arzt drehte sich um. »Da Sie gehen können, Genosse Major, ist hier der falsche Platz für Sie. Bei mir müssen Sie sich anstellen zum Massengrab.« Er wandte sich wieder dem Verwundeten zu und schien Kubowski vergessen zu haben. Nun kam auch Piotr, der Sanitäter, herein und trug einen Armvoll Binden zu einem Instrumententisch. Kubowski nickte dem halbnackten Mann zu.
    »Wer ist das?«
    »Andreij Wassilijewitsch Sukow, unser Chirurg. Gehen Sie bitte in den nächsten Verbandsraum …«
    Hier, in einem größeren, unterteilten Keller, fand Kubowski endlich die Pannarewskaja. Sie verband die Gehfähigen, gab Injektionen, verteilte Pillen und Pulver und schimpfte wie ein alter Donkosak, wenn jemand sich muckste oder »Au!« schrie.
    Ihr Blick wurde starr und ungläubig, als sie Major Kubowski eintreten sah, ja, sie ließ sogar eine Mullrolle sinken und schüttelte den Kopf.
    Kubowski schluckte. Er war noch nicht gefühllos genug, um nicht inmitten des grausamen Leidens die Schönheit zu bemerken.
    »Sie …?« sagte die Pannarewskaja gedehnt und verband weiter.
    »Sie haben mir ein Rendezvous versprochen, Genossin Oberleutnant«, erwiderte Kubowski keck.
    »Und da haben Sie Ihren Kopf hingehalten, um es zu ermöglichen?« Olga Pannarewskaja winkte ab, als ein neuer Verwundeter zu ihr treten wollte. »Erst den Genossen Major, mein Junge. Sieh einmal, wie er leidet. Die Augen verdreht er schon.«
    »Ich bin fast ausgeblutet, Olga.« Kubowski trat zu ihr. Jetzt, wo er ganz nahe vor ihr stand, wo er wieder die Rundungen unter der Feldbluse bemerkte, das Flimmern in ihren Augen aufnahm und ihre schwarzen Haare vor ihm zitterten, fühlte er sich wirklich elend und schwach.
    »Setzen!« kommandierte die Pannarewskaja.
    »Bitte …«
    »Setzen! Sie sind zu groß, um Sie stehend zu untersuchen. Oder soll ich auf den Tisch steigen?«
    Gehorsam hockte sich Kubowski auf einen alten Holzstuhl. Olga Pannarewskaja trat zu ihm und wickelte den Verband ab. Major Kubowski nagte an der Unterlippe. Über ihm, etwas höher als seine Augen, wölbten sich die Brüste gegen seine Stirn. Er starrte sie an, und trotz der blutverschmierten Feldbluse machte er sich ein eigenes, plastisches Bild der Anatomie.
    »Verflucht!« schrie er plötzlich und zuckte hoch, aber die Hand der Pannarewskaja drückte ihn auf den Stuhl zurück. Sie hatte die letzte Lage von der Wunde gerissen und faßte mit einer Pinzette ein Stück der aufgerissenen Kopfschwarte. »Oh, Genossin – muß das sein?« knirschte Kubowski und wunderte sich über seine Beherrschung.
    »Das bißchen Gehirn ist unverletzt«, sagte die Pannarewskaja. »Es wäre auch eine Kunst, solch ein winziges Ziel zu treffen. Ein paar Stiche und etwas Jod, und das Vaterland kann wieder mit Ihnen rechnen, Major …«
    Heldenhaft ließ Kubowski die Behandlung über sich ergehen. Er knirschte zwar wie ein Steinbeißer, aber er hielt still. Man gab ihm auch keine örtliche Betäubung, weil, wie die Pannarewskaja sagte, die knappen Narkosemittel für die Schwerverwundeten aufbewahrt werden mußten.
    »Ein braver Mann!« sagte sie, als sie nach dem Einpinseln mit Jod einen neuen Verband um Kubowskis Kopf wickelte. »Nur müssen Sie den Helm jetzt drei Nummern größer nehmen!«
    Rund um den ›Tennisschläger‹ war wieder die Hölle aufgebrochen. Die Deutschen gaben keine Ruhe. Ihre Artillerie pflügte wieder in den Hausruinen, und noch während Kubowskis Kopf verbunden wurde, trug man neue Schwerverwundete in den großen Keller zu Majorarzt Dr. Sukow. Dann war die Feuerwalze auch bei ihnen. Der Keller bebte, die Wände dröhnten wie Paukenfelle, der Boden schien sich zu heben, Kalk rieselte herab. Kubowski schaute an die rissige Decke.
    »Sie hält«, sagte die Pannarewskaja ruhig. »Wir sind zwei Etagen unter der Erde.«
    Es war, als wolle man ihre Worte auf die Probe stellen. Ein mächtiger Schlag, ein helles Krachen ließ alle zusammenzucken. Das Aggregat erlosch sofort. Tiefe Dunkelheit hüllte den Keller ein.
    Major Kubowski sprang in dieser Finsternis auf. Mit beiden Händen griff er nach vorn, erfaßte ein Stück Stoff und in dem Stoff lebendes,

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