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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus und schlug Rottmann quer übers Gesicht. Es klatschte, als wenn ein nasses Handtuch gegen eine Mauer pappte. Rottmann machte keine Bewegung der Abwehr, er nahm den Schlag hin, sein Kopf pendelte etwas.
    Junge, dachte er dabei, hat das schmächtige Kerlchen einen Schlag, dann schnaufte er wie ein gereizter Stier, drehte sich ab und rannte hinaus.
    »Jetzt macht er seine Anzeige«, sagte Wallritz nach einer Weile Schweigen. »Ich … ich hätte vielleicht getan, was er wollte …«
    »Sie haben Angst, Wallritz?«
    »Ja, Herr Assistenzarzt.«
    »Angst vor dem Sterben?«
    »Nein. Aber ich denke an meine Mutter …« Wallritz senkte den Kopf. Seine Schultern zuckten. »Ich habe es damals … bei Sigbart … auch nur wegen Mutter getan …«
    Dr. Körner nagte an der Unterlippe. Der Weg, den sie jetzt gehen würden, war ihm klar, Verhaftung, Verhör, Kriegsgericht, Todesurteil. Es wäre eine Illusion gewesen, anderes zu denken, anderes zu hoffen. Mein Leben ist sowieso abgeschlossen, dachte er. Es liegt unter den Haustrümmern der Lortzingstraße in Köln, in einem Keller, neben Marianne, der eine Luftmine die Lunge zerriß. Daß ich lebe, ist nur noch die Funktion des Körpers, der Wechselrhythmus von Herzschlag und Atmen, der Kreislauf des Blutes, der Nerven und Muskeln antreibt. Mehr ist es nicht … Eine Seele? Wo habe ich sie? Ein Gefühl? Es wurde zur Erinnerung. Ein Lebenswille? Er erstickte mit der Luftmine in Köln.
    »Wir werden erst morgen nacht wieder zurück in die Stadt können«, sagte er. »Wir haben fast vierundzwanzig Stunden Zeit. Sie bringen sich in Sicherheit, Wallritz.«
    »Herr Assistenzarzt …«
    »Ich werde dafür sorgen, daß Sie ausgeflogen werden.«
    »Und Sie, Herr Assistenzarzt?«
    »Ich?« Dr. Körner schüttelte müde den Kopf. »Mir passiert nichts mehr, Wallritz, was mich noch erschüttern könnte.«
    Major Jewgenij Alexandrowitsch Kubowski führte einen heiligen Krieg gegen die sowjetische Militärbürokratie. Eingebrockt hatte ihm das salzige Süppchen der saubere Chefchirurg von Abschnitt Stalingrad-Mitte, Dr. Andreij Wassilijewitsch Sukow. Der Satan hole ihn, dachte Kubowski und spuckte gegen die Mauer. Eifersüchtig auf Olgaschka ist er, der Lümmel, das ist alles. Ärgern tut er sich, weil Olga nicht ihn küßt, sondern mich, den Major Kubowski. Und wie er knurrt, wenn Olga meine Wunde auswäscht und verbindet. Wie ein Bär knurrt er, unangenehm und trotzig.
    Eigentlich hatte Sukow recht und handelte streng nach den Vorschriften, als er den verwundeten Offizier Kubowski sofort an den Frontmilitärrat meldete, denn schließlich war der Major, auch wenn er Sukow persönlich unangenehm war, ein dekorierter Offizier und ein tapferer Soldat. Was kommen mußte, kam auch prompt: Kubowski erhielt den Befehl, sich zur Ausheilung seiner Wunde und zur Erholung zum Sammelplatz jenseits der Wolga zu begeben.
    »Eine Infamie!« schrie Kubowski, als ein unschuldiger Rotarmist ihm den Befehl übergab. Er zerriß den Meldezettel und rannte zu Olga Pannarewskaja. Sie operierte gerade einen Halsschuß.
    »Täubchen!« schrie er. »Du weißt, was man mit mir machen will. Aber ich weigere mich! Ich verlasse die Stadt nicht ohne dich! Keiner kann mir das übelnehmen. Und wenn ich mit dem Genossen Shukow selbst spreche … was soll ich in Kasachstan? Soll ich die Schäfchen zählen? Ich bleibe.«
    Dr. Sukow, der am Nebentisch einen Bauchschuß behandelte, sah zu dem schreienden Major hinüber.
    »Bitte gehen Sie hinaus, Genosse Major«, sagte er höflich. »Ich bin froh, daß meine Verwundeten ohnmächtig sind und ich die Anästhesie spare. Ich brauche zur Erweckung nicht Ihre Posaune …«
    »Welch ein unhöflicher Mensch!« Major Kubowski küßte Olga in den Nacken. »Aber er soll unser Glück nicht stören, dieser Unmensch. Ich werde wie ein Bettler herumlaufen und sie alle überzeugen, daß ich keine Erholung in Kasachstan brauche.«
    Er blieb an der Tür stehen und sah noch einmal zu Olga Pannarewskaja. Eine Schönheit, dachte er glücklich. Diese schwarzen Haare, diese Schultern, diese Brüste, die Hüfte, die schlanken Beine in den hohen Juchtenstiefeln. Und diese Glut in ihrem Blut, dieser Wüstenwind in ihrem Atem. Ich bin ein glücklicher Mensch, wirklich. Und wenn draußen die Welt untergeht … ich habe sie geliebt, das kann mir niemand mehr nehmen.
    Die Ärztin blickte kurz auf, ihre Blicke begegneten sich. Sie lächelten sich zu, es war eine innere Verbundenheit, die keine Worte

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