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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß sie furchtbar geträumt habe.
    »Ich träume sonst nie, Jewgi …«, sagte sie, und es war das erstemal, daß sie ihn Jewgi nannte. Kubowski hatte wie ein Truthahn geseufzt und verflucht, daß zwischen ihnen die Wolga lag und einige Kilometer Mondlandschaft. »Ich habe solche Angst um dich …«
    Da hatte er gelacht und geantwortet: »Olgaschka, welche Gedanken! Bis auf den Ärger mit den Idioten – du glaubst nicht, wieviel Hirnlose in der Roten Armee dienen – fühle ich mich wohl. Die Wunde heilt gut, bald werde ich wieder bei dir sein.«
    In Wahrheit hatte auch er schlecht geschlafen. Es war ihm ein paarmal, als müsse er ersticken. Erst gegen Morgen konnte er ruhig schlafen.
    An diesem 30. Dezember, bei 32 Grad Kälte und einem Wind aus Kasachstan, hatte ein deutsches Aufklärungsflugzeug festgestellt, daß aus der Steppe neue Panzereinheiten zur Wolga rollten. Um die Mittagszeit mußten sie am Wolgaufer eintreffen und versuchen, in die Stadt überzusetzen.
    Genau um 13 Uhr – Kubowski hatte einen Teller Kasch mit Salzfisch gegessen und verspürte einen schrecklichen Durst – brüllten in Stalingrad die letzten schweren Geschütze der deutschen Artillerie auf. Es waren drei massierte Feuerschläge, genau auf das Wolgaufer und auf das Eis.
    Major Kubowski hörte es in der eiskalten Luft heransurren … es pfiff, orgelte und dröhnte, summte, jaulte und kreischte … Mit einem wilden Satz hetzte er zu seinem Deckungsloch. Das ist doch nicht möglich, dachte er. Warum schießen sie denn? Nichts steht am Ufer, nur eine armselige Minenwerferkompanie. Die Panzer warten dort im Hinterland, bis es Nacht ist. Warum schießen sie denn, die feldgrauen Verschwender?
    Er kam nicht mehr bis zu seinem Loch. Vor und hinter ihm riß die Erde auf … das war das letzte, was er erkannte. Dann hob ihn eine Riesenfaust vom Boden weg und schleuderte ihn mitten in die anderen Detonationen.
    Die Rotarmisten, die ihn später suchten, fanden von Major Kubowski nur seinen Kopf und einen Stiefel ohne Bein.
    Ein Irrtum der deutschen Artilleriebeobachtung hatte ihn ausgelöscht. Olga Pannarewskaja stand starr, als Chefchirurg Sukow ihr die Mitteilung machte. »Er war sofort tot«, sagte er tröstend. »Er hat nichts gespürt …«
    Da erst lief ein Zittern durch ihren Körper. Mit der Wildheit einer Raubkatze sprang sie vor, hob die Fäuste, und während Sukow erschrocken und fasziniert von dieser wilden Schönheit mit offenem Mund untätig dastand, hieb sie mit den Fäusten auf den Operationstisch, rannte im Zimmer von Wand zu Wand, hieb gegen die Bohlen und Steine und schrie mit sich überschlagender Stimme:
    »Ich hasse sie … ich hasse die Deutschen! Der Himmel sei mein Zeuge … ich werde keinen Deutschen schonen! Keinen! Keinen! Ich hasse sie … ich hasse sie …«
    Dann fiel sie über einem Toten, den man eben vom Tisch gehoben hatte, zusammen. Sukow ließ sie liegen und faßte sie nicht an. Es war besser so, dachte er … ein gereizter Tiger kennt nicht mehr Freund und Feind.
    Das ›Lebensbillet‹ für den Sanitätsfeldwebel Horst Wallritz verschaffte sich Dr. Körner durch einen Trick.
    Der Gedanke war ihm plötzlich gekommen, und wie so oft im Leben sind die anscheinend kompliziertesten Dinge die einfachsten. Er beobachtete das Raus und Rein in den Operationszelten und Baracken der Verwundetenstadt am Bahnhof von Gumrak. Vor ein paar Wochen hatte er hier selbst mit Dr. Portner eine der ›Auslesestationen‹ gehabt, die schreckliche Macht über Leben und Tod. Wenn auch nur ein Bruchteil der Verwundeten mit dem Transportzettel um den Hals einen Platz in einem der ausfliegenden Flugzeuge erhielt, denn Tausende warteten seit Tagen und Wochen, zu grauen Klumpen geballt und wie Riesenmaden durch den Schnee kriechend, am Rande der Rollfelder, so war doch immer noch eine Chance drin, die Heimat wiederzusehen. Wer keinen Zettel bekam, wußte, daß er im Kessel von Stalingrad blieb. Endgültig. Geopfert für den Führer und Großdeutschland.
    In dem blauen Zelt operierten vier Ärzte und drei Unterärzte. Es war Fließbandarbeit, Demontage von Leibern. Die Träger, die die versorgten Verwundeten wieder hinaustrugen, achteten gar nicht mehr darauf, ob der Oberfeldwebel am Schreibtisch ihnen einen Zettel umgehängt hatte oder nicht … sie rannten in die Baracken oder Eisenbahnwaggons, kippten die Verwundeten in das Stroh, so wie man einen Karren Kompost wegschüttet, und trabten schnell zurück.
    Dr. Körner wartete fast eine

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