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Das Herz der Dunkelheit: Psychothriller (German Edition)

Das Herz der Dunkelheit: Psychothriller (German Edition)

Titel: Das Herz der Dunkelheit: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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schien, als Sam ihn hochgenommen hatte.
    Mit den Antennen des Kleinen war alles in bester Ordnung.
    Was man von ihrem Leben nicht behaupten konnte.

61
    Jerry Wagner traf sich mit Sam auf einem Korridor des Gerichtsgebäudes, eine Stunde vor Grace’ Erscheinen vor Gericht.
    Sie sprachen schnell, und Wagner sagte, er bräuchte von Sam alles darüber, was Grace veranlasst haben könnte, auf eine so völlig untypische Art zu handeln.
    »Es steht außer Frage«, sagte der Anwalt, »dass sie Gewalt verabscheut, und doch lässt sich nicht leugnen, dass sie getan hat, was ihr zur Last gelegt wird. Es war kein Unfall in dem Sinn, dass das Gaspedal klemmte oder sie den Fuß auf dieses Pedal anstatt auf die Bremse drückte, denn das hätte sie von Anfang an gesagt. Und jeder, der am Tatort war, weiß, dass sie das nicht gesagt hat.«
    »Man muss jemanden nur weit genug treiben«, begann Sam.
    »Aber Charles Duggan hat Grace nicht getrieben«, erstickte Wagner diese Überlegung im Keim. »Das ist unser Problem. Sie hat ihn überfahren, und sie hat es zugegeben. Sie hat ihm gesagt, er solle verschwinden, da sie ihn für einen anderen hielt, aber der war er nicht. Mit einer angeblichen Personenverwechslung kommt man bei einem Auto als Waffe ebenso wenig durch wie bei einer Pistole, das wissen Sie selbst. Duggan war ein unschuldiges Opfer, und dagegen gibt es offenbar nichts zu sagen.«
    »Es muss etwas geben«, knurrte Sam.
    »Haben Sie denn etwas?« Wagners Blick war so scharf wie noch nie.
    »Nein.« Sam schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
    »Dann geben Sie mir einfach, was Sie haben.«
    Und das tat Sam. Fasste die Cooper-Story und ihr Martyrium zusammen, Grace’ unbewiesene Sichtungen Cal/Coopers sowohl im letzten Frühjahr als auch in jüngster Zeit, erhärtet durch die Tatsache, dass der Killer Sam im März vor einem Jahr geschrieben hatte. Danach brachte er Wagner auf den aktuellen Stand zu den neuen Morden und dem psychologischen Angriff des »Herzmörders« gegen seine Familie.
    »Reicht für Notwehr«, resümierte Wagner.
    »Wenn Duggan Cooper wäre«, erwiderte Sam mit wachsender Ernüchterung.
    »Vermutlich mehr als genug für vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit«, sagte Wagner. »Falls wir darauf plädieren wollen.«
    »Wollen wir das denn nicht?«
    »Es ist ein steiniger Weg. Und selbst wenn ein Richter oder eine Jury es uns abnimmt, haben wir immer noch das Problem, beweisen zu müssen, dass Grace inzwischen nicht mehr unzurechnungsfähig ist und daher nicht in eine Anstalt eingewiesen werden muss.« Er schwieg einen Augenblick. »Schlimmstenfalls könnte Grace bis zu ihrer ›Genesung‹ in eine Anstalt eingewiesen und danach bis zum Ende ihrer Haftstrafe in ein Gefängnis verlegt werden.«
    Er sah das Entsetzen in Sams Augen, und er empfand tiefes Mitleid mit ihm.
    »Zum Glück«, fuhr er fort, »müssen wir, wie Sie wissen, unsere Einrede nicht vor der Anklageverlesung vorbringen. Das heißt, wir haben noch Zeit, um uns die bestmögliche Strategie zu überlegen.«
    Anklageverlesung. Gefängnis. Urteil. Diese Worte im Zusammenhang mit Grace.
    Undenkbar.

62
    Er hatte sie noch nie so bleich und ausgezehrt gesehen.
    Außer vielleicht damals, als Cal der Hasser Joshua in seiner Gewalt gehabt hatte.
    Aber irgendwie bewahrte sie die Fassung, ihre Haltung war aufrecht, und ihre Stimme schwankte nur leicht, als sie sprach.
    Er sah die Freude in ihren Augen, als sie ihn sah.
    Und etwas ganz anderes, als sie Cathy und Saul sah.
    Scham, die schon jetzt an ihr nagte.
    Die Kaution wurde, nach einer Auseinandersetzung zwischen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung, auf einhunderttausend Dollar festgesetzt. Sam bezahlte zehn Prozent davon an den Kautionsvollstrecker, und sechs Stunden später wurde Grace auf freien Fuß gesetzt.
    In der langen Nacht hatte sie gedacht, sie würde sich an jeden einzelnen Augenblick davon bis an ihr Lebensende erinnern. Und doch war diese Nacht schon am nächsten Morgen, als Grace vor weiteren unbekannten Grauen stand, allmählich verschwommen: die Leibesvisitation, die Abnahme von Fingerabdrücken und DNA-Proben, der Transport, ihr erster Anflug von Panik in der Zelle, ihre Angst vor den anderen Gefangenen, die Geräusche. Alles war verblasst bis auf den Gestank, der tief in ihre Nasenlöcher und ihre Kehle, ihre Haut und ihre Haare eingedrungen war, sodass sie sich vor allem nach heißem Wasser und Seife sehnte.
    Sie ließ sich von allen der Reihe nach umarmen, aber sie spürte,

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