Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
geradeaus, ohne ihr auch nur einen Seitenblick zu schenken.
Schon als er sie im Hotel abgeholt hatte, war er so wortkarg gewesen. Er hatte sie immer nur mit diesem Ausdruck in den Augen angesehen, den sie nicht zu deuten wusste, und daran hatte sich auch den ganzen Abend über nichts geändert. Nicht während sie in der zur Feier des königlichen Ehrentages festlich erleuchteten und geschmückten Harmonie miteinander getanzt hatten, nicht wenn er ihr in einer Verschnaufpause Champagner kommen ließ und auch nicht während des Soupers und als sie von der Dachterrasse aus unter einem großen Regenschirm dem Feuerwerk zugeschaut hatten. Ebenso ungerührt hatte er es hingenommen, dass Eduard van Tonder sie für ganze drei aufeinanderfolgende Tänze mit Beschlag belegt und Hinnerk Helmstraat ihn danach abgelöst hatte. Nicht ein einziges Mal hatte James in ihre Richtung geblickt, während er mit einigen anderen Herren am Rand der Tanzfläche stand und im Gespräch immer wieder sein Grübchenlächeln sehen ließ, mit dem er Floortje schon lange nicht mehr bedacht hatte.
Ihr war elend zumute; je mehr sie sich anstrengte, ihm zu gefallen, desto weiter schien er sich von ihr zu entfernen. Und sie bezweifelte, ihn damit aus der Reserve locken zu können, wenn sie beiläufig erwähnte, wie Edu van Tonder ihr heute Abend bedeutungsvoll zugeraunt hatte, er würde sie kommende Woche gern zu einem besonderen Abendessen ausführen.
Unvermittelt lehnte James sich vor und rief dem Kutscher etwas auf Malaiisch zu; erschrocken klammerte sich Floortje an der Lehne fest, als der Wagen abrupt ausscherte und in eine Seitenstraße schlitterte, schließlich ausrollte und unter dem Schnauben und Prusten der Pferde zum Stehen kam.
»Warum halten wir hier?« Ihr war unbehaglich zumute, und sie spähte unter dem Verdeck hervor, ob sie in dem flüssigen, milchigen Licht einer Laterne, das sich über die Barouche ergoss, und in der regennassen Finsternis hinter den Dampfschwaden etwas Genaueres ausmachen konnte. Erst dann dämmerte ihr, dass sie schon wesentlich länger in der Barouche unterwegs waren, als sie für die Strecke zwischen dem Club und dem Hotel Des Indes eigentlich benötigten; James musste den Kutscher angewiesen haben, daran vorbeizufahren, und Angst loderte in ihr auf.
James atmete tief durch und wandte sich ihr zu, und unwillkürlich rückte sie von ihm ab.
»Sch-schh«, machte er und legte ihr behutsam die Hand auf den Oberarm, kaum bedeckt von dem schmalen Ärmel ihrer grünen Abendrobe und dem Seidenschal über ihren Schultern, ließ sie aber los, als sie weiter zurückwich und sich in die hinterste Ecke der Barouche drückte.
»Keine Angst«, murmelte er. »Ich führe nichts Böses im Schilde.« Er stützte den Ellenbogen auf die Rückenlehne und legte seine Schläfe in die Hand, sah sie eine Weile nur an und atmete schließlich noch einmal tief durch.
»Seit jenem ersten Abend im Club«, sagte er leise, »frage ich mich, womit ich es eigentlich bei Ihnen zu tun habe. Edu schwärmte in den höchsten Tönen von Ihnen und beschrieb Sie mir als lebhafte und selbstbewusste Dame der Gesellschaft. Stattdessen hielt ich beim Tanzen ein junges Ding in den Armen, das kaum einen Ton herausbrachte und von dem ich nicht wusste, ob es mich mit Geringschätzung straft oder einfach nur schüchtern ist. Oder aber eine Goldgräberin, die auf Edus Vermögen aus ist und nun fürchtet, dass ich sie allzu genau unter die Lupe nehme und ihre Pläne durchkreuze.« Unmerklich zuckte Floortje zusammen. »Ich bin nicht blind, natürlich verstehe ich, wie Sie mit Ihrem Äußeren Edu derart den Kopf verdrehen konnten. Ich bin auch nicht gerade unempfänglich für derlei Reize.« Floortjes Wangen wurden heiß, und ein glückliches Lächeln zuckte um ihren Mund. »Und trotzdem wusste ich lange Zeit nicht, was ich mit Ihnen anfangen sollte. Mit einem unentwegt über Nichtigkeiten plappernden Gänschen, das offenbar nur Mode und Hüte im Kopf hat und das mich mit klimpernden Augen und verführerischen Blicken um den Finger zu wickeln sucht. Das mit ganzen Lattenzäunen winkt, wenn wir an den Auslagen der teuren Geschäfte vorbeikommen, weil es erwartet, dass ich es mit Juwelen überhäufe und es obendrein wie ein vernarrter Tölpel mit Komplimenten überschütte.« Seine Worte waren wie eine Ohrfeige für Floortje; sie senkte den Blick und starrte angestrengt auf ihre behandschuhten Hände, die aneinander herumknibbelten. »Dann waren da aber immer
Weitere Kostenlose Bücher