Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
wieder diese Momente, in denen Sie mir aufmerksam zugehört haben. In denen Sie fröhlich und schlagfertig waren, in denen wir über ganz banale Dinge geredet und gemeinsam gelacht haben. Momente, in denen Sie einfach damit zufrieden schienen, mit mir zusammen zu sein. Ich mag mich täuschen, aber in diesen Momenten hatte ich das Gefühl, Sie hätten aufrichtiges Interesse an mir als Mensch. Ohne Hintergedanken.«
Er schwieg einen Moment lang; ein Moment, der Floortje endlos lang und quälend vorkam, umso mehr, als sie nichts darauf zu erwidern wusste.
»Ich glaube, ich habe endlich etwas über Sie begriffen«, fuhr er im Flüsterton fort. »Dass sich bei Ihnen nämlich hier drin«, unter gesenkten Lidern sah sie, wie er mit den Fingerknöcheln gegen seine Hemdbrust pochte, »ein ängstliches kleines Mädchen verbirgt. Ein Mädchen, das sich hinter seinem aufgesetzten Getue versteckt, damit es sich sicher fühlen kann. Obwohl es das vielleicht nicht bräuchte. Nicht, wenn man gut mit ihm umgeht. Ein Mädchen, das sein Herz am rechten Fleck hat. Ein Mädchen, mit dem man Pferde stehlen kann. Wenn man es richtig anstellt.« Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Widersprechen Sie mir, falls ich mich irre.«
Floortje machte den Mund auf und wieder zu. Seine anfänglichen Worte hatten ihr wehgetan, und im nächsten Atemzug hatte er solch schöne Dinge über sie gesagt, dass es in ihr flatterte und tanzte.
»Und dieses Mädchen …«, raunte er ihr zu, »dieses Mädchen mag ich sehr.«
Sie erschauerte, als er mit dem Rücken seiner Finger sanft über ihre Wange strich, dann die Handfläche gegen ihre Kinnlinie legte und ihr Gesicht behutsam zu ihm anhob. In Floortje brach ein Damm, und eine Flut an Gefühlen rauschte in ihr empor; Scham, Traurigkeit und Zorn, Glück und Erleichterung formten sich auf ihrer Zunge zu Worten, die zu sperrig waren und zu klobig, um leicht über ihre Lippen zu kommen. Worte, die sie noch nie ausgesprochen hatte, erst, weil niemand sie hatte hören wollen, dann, weil sie sich zu sehr geschämt hatte. Tränen stürzten aus ihren Augen, und sie begann zu schluchzen. »Ich …«, stieß sie krampfhaft hervor, »ich …«
Sein Mund, der sich auf den ihren legte, brachte sie zum Verstummen. Ein Kuss, der die Erinnerung an andere Küsse wachrief, die sie so sehr zu vergessen suchte, und Übelkeit wallte in ihr auf. Aber sich ihm zu entwinden, dazu brachte sie die Kraft nicht auf, und sein Mund, der nicht nachgab, der ihren lockte und umschmeichelte, löschte nach und nach diese Erinnerung aus, mit jedem Herzschlag mehr, und schließlich ließ sie sich an seine breite Brust ziehen.
»Ich mag es trotzdem, wenn du etwas Hübsches anhast«, murmelte er zwischen zwei Küssen. »Und von mir aus kannst du ein ganzes Zimmer voller Hüte haben.«
Floortje kicherte auf und seufzte dann selig, als seine Küsse fester wurden, drängender; sie schlang die Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn. Heißes Begehren jagte durch ihre Adern, als seine Hand über ihren Rücken strich und er sie noch enger an sich presste.
Ein Ruck ging durch ihn hindurch, und außer Atem ließ er von ihr ab; sie konnte fühlen, wie viel es ihm abverlangte, sich zu beherrschen, und wie sein starker Leib darunter erzitterte. Beinahe tröstend schmiegte sie sich an ihn und bettete ihr Gesicht in seine Halsbeuge.
Eine Weile lauschte sie dem Pochen seines Pulsschlags und dem Rauschen des Regens, dem Schnobern der Pferde und ihrem eigenen rasenden Herzschlag, der sich nur langsam beruhigte.
»Hast du kein schlechtes Gewissen?«, fragte sie dann leise und blinzelte zu ihm herauf.
»Wegen Edu? Nein.« Bedächtig schüttelte er den Kopf. »Er hätte dir schon längst einen Antrag machen sollen. Ist doch keine Art, monatelang um ein Mädchen wie dich herumzuscharwenzeln, ohne Nägel mit Köpfen zu machen. Sein Pech, wenn ich nun mehr Entschlossenheit zeige.« Floortjes Herzschlag galoppierte erneut an. »Er kann mich ja zum Duell fordern, wenn er sich in seiner Ehre gekränkt fühlt.« Als sie mit zweifelnder Miene zu ihm aufsah, hob er die Brauen und nickte. »Oh ja, das gibt es hier tatsächlich noch. Wir Pflanzer halten unsere Ehre und die unserer Frauen hoch.«
Er rief etwas auf Malaiisch nach vorne, in dem Floortje Hotel Des Indes ausmachen konnte, und der Wagen rollte an, wendete in einem weitläufigen Bogen und schwenkte dann wieder auf den Molenvliet ein.
Die nebligen Lichtkreise der Gaslaternen zogen nach und nach
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