Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
vorbei und erfüllten das Innere der Kutsche mit einem Wechselspiel aus Helligkeit und Dunkel.
Mit dem Finger zeichnete James ihre Wangenlinie nach. »Ich will, dass du mit mir nach Rasamala kommst. Sobald die Regenzeit zu Ende geht. Ich will dir mein Land zeigen und wie ich dort lebe.« Sein Daumen fuhr zart über ihre Lippen. »Und ich will dich meiner Mutter vorstellen.«
Ein Lächeln huschte über Floortjes Gesicht, und sie nickte, bevor sie das Gesicht wieder an seinem Hals vergrub und mit einem glücklichen Seufzer die Augen schloss.
Der Moment, in dem es zum Greifen nahe gewesen war, sich ihm anzuvertrauen, war vorbeigezogen. Seine Küsse hatten die Worte, die sie eigentlich hatte sagen wollen, auf ihrer Zunge zurückgedrängt und wieder die Kehle hinuntergleiten lassen, bis sie schließlich eines nach dem anderen tief in ihr zerplatzt waren wie die Bläschen des Champagners.
Mit offenen Augen lag Jacobina in ihrem Bett. Ihr Herz pochte heftig, während sie immer wieder über die Lippen strich, um die unaufhörlich ein glückliches Lächeln zuckte. Das Trommeln des Regens auf dem Dach war wie ein Echo ihres Pulsschlags; allein nur der Gedanke, dass sich Jan jenseits des Treppenaufgangs, auf der anderen Seite des Korridors befand, zog als sehnsüchtiges Flattern durch sie hindurch.
Ein Poltern irgendwo unten im Haus ließ sie zusammenschrecken, dicht gefolgt von überlauten Stimmen, und mit angstvoll stolperndem Herzschlag setzte sie sich auf. Ihr Magen krümmte sich zusammen, als sie die Stimmen des Majors und seiner Frau ausmachen konnte. Vincent de Jong röhrte und brüllte wie ein angeschossenes Raubtier; die abwechselnd beschwichtigende, dann wieder keifend dagegenhaltende Stimme seiner Frau ging darin unter wie das Piepsen eines Vogels. Etwas schepperte und klirrte, und gleich darauf gab es einen dumpfen Schlag. Jetzt hörte Jacobina Schritte, die über den Korridor eilten, sich dann die Treppe hinunter entfernten. Eine dritte Stimme mischte sich ein, bestimmt und doch besänftigend – diejenige Jans. Die Stimmen, unterlegt von schwerem Schnaufen und hohen Schluchzern, näherten sich über die Treppe und wurden dann leiser, als sie sich über den gegenüberliegenden Korridor wieder entfernten.
Jacobina erschrak, als die Tür zu ihrem Zimmer aufflog und gleich wieder zuklappte; Jeroen war es, der auf das Bett zuflitzte, sich hastig unter dem Rand des Moskitonetzes hindurchschlängelte und über die Matratze krabbelte. »Kann ich bei dir bleiben, noni Bina?«
»Wo ist Ida?«
»Bei Melati. Aber die hat nur zwei Arme.« Im schwachen Schein der Verandalampen sah Jacobina, wie der Junge seine Bitte mit einem flehentlichen Blick unterstrich.
Seufzend legte sie sich wieder hin und streckte die Arme nach ihm aus, in die sich Jeroen sofort hineinschmiegte, das Gesicht gegen Jacobinas Schlüsselbein gedrückt.
»Weißt du, was mit Papa ist?«, fragte er nach einer kleinen Pause ängstlich.
»Ich glaube, es geht ihm oft nicht gut«, flüsterte Jacobina.
»Das sagt Mama auch immer.« Unsicher klang er, geradezu zweifelnd, und schielte von unten zu ihr herauf.
»Dann stimmt das auch«, erwiderte Jacobina und strich ihm über den Kopf.
Das Toben des Majors schien verstummt; nur dann und wann glaubte Jacobina ein gedämpftes Knurren zu hören. Deutlich jedoch hörte sie ganz in der Nähe das Schluchzen von Margaretha de Jong, das immer wieder ihren Wortfluss unterbrach, der aufgewühlt, ängstlich und zornig zugleich klang. Und darunter konnte sie das besänftigende Murmeln von Jan Molenaar ausmachen.
Jacobina kniff die Augen zusammen, als sie das Flämmchen erneut in ihrer Magengegend aufzüngeln fühlte; unwillkürlich drückte sie Jeroen fester an sich und streichelte ihm über den Rücken.
Aber mich hat er heute geküsst , sagte sie sich selbst vor. Mich. Jacobina.
Das Bild jedoch, wie vielleicht jetzt gerade Jan tröstend Margaretha de Jong in den Armen hielt, verfolgte sie weiter, die Nacht hindurch.
21
Koningsplein Oost, den 15. März 1883
Lieber Jan,
so hatte ich es nicht gemeint, als ich Dir schrieb, ich hätte noch viel zu wenig von Java gesehen. Aber natürlich freue ich mich über Deine Einladung, sehr sogar. Ich möchte mir wirklich gerne Buitenzorg ansehen und wie Du dort lebst! Ich habe schon mit Frau de Jong gesprochen, und ich bekomme Ende des Monats ein paar Tage am Stück frei. Schreib mir bitte nur bald, wann Du Zeit hast, damit ich Frau de Jong rechtzeitig darüber in Kenntnis
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