Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
setzen kann. Und falls es in Deine Pläne passt und es nicht zu viel verlangt ist: Könnten wir vielleicht noch zwei oder drei Tage verlängern und in den Preanger fahren? Meine Freundin ist gerade zu Gast auf einer Plantage namens Rasamala, südlich von Buitenzorg, und ich würde sie sehr gerne dort besuchen. Sofern das möglich ist und nicht zu viele Umstände macht, natürlich.
Ich soll Dich auch »ganz, ganz doll« von Jeroen und Ida grüßen! Jeroen hat mich beschworen, ich dürfe auf keinen Fall vergessen, Dir zu schreiben, dass er schon das Abc buchstabieren und »Katze« und »Haus« lesen kann. Und dass er Dir bald selbst schreiben wird – zumindest übt er sehr fleißig.
Sei herzlich gegrüßt,
Jacobina
Hundegebell und eine lachende Frauenstimme schallten durch den Garten und übertönten das Lied der Pirole, die man trotz ihres auffälligen schwarzen und karminroten Gefieders so selten sah, das Gurren der Tauben und das Zikadengesirr in den Baumwipfeln.
Dixie, der schwarzbraune Dachshund, fegte über den weitläufigen Rasen und kläffte dem Stock hinterher, der durch die Luft flog und dumpf auf dem Boden aufschlug, wo er ihn eilig aufsammelte und mit stolz gereckter Rute zurücktrug.
»Fein hast du das gemacht!« Floortje klatschte in die Hände und bückte sich nach dem Hund, der den Stock vor ihr ablegte und sich hechelnd hinsetzte. »Braver Hund! Braver Dixie!« Sie kraulte ihn hinter dem Schlappohr, worauf er genüsslich die Augen schloss, sich dann auf die Vorderpfoten niederlegte und das Aststück winselnd mit der Schnauze anstupste. »Hast du noch immer nicht genug?«, rief Floortje lachend und hob den Stock auf. Wie ein Schachtelteufel sprang Dixie auf, jeden Muskel seines Hundeleibs angespannt; als Floortje antäuschte, den Stock wegzuschleudern, zuckte er vorwärts, einmal, zweimal. Dann katapultierte sie den Ast von sich, und Dixie wetzte mit glücklichem Gebell hinterher.
Eine Hand auf der Hüfte, den Ellenbogen des anderen Arms an den Türrahmen gestützt, stand James van Hassel in einer der offen stehenden Türen zur Veranda und rieb sich nachdenklich mit dem Fingerknöchel über das Kinn. In seinem großen Bambuskäfig putzte sich der bunte Papagei ausgiebig das Gefieder und spähte dazwischen immer wieder neugierig umher, und der weiße Kakadu im Käfig gegenüber legte fragend den Kopf schräg, bevor er seinen gelben Federkamm aufstellte und einen keckernden Laut von sich gab.
Die Schritte bloßer Füße näherten sich über den Steinboden und verstummten dann unmittelbar neben James. Er wandte sich halb um. »Was meinst du, Mutter?«
Marlies van Hassel blickte über die Veranda hinweg in den Garten; ihr Werk, auf das sie nicht wenig stolz war, vor allem auf die kurzstämmigen Rosen in Krapprot, Milchweiß und Blassgelb rings um die Veranda, deren Hege sie auch um keinen Preis dem Gärtner überlassen wollte.
Vor dem Hintergrund der majestätischen Rasamalabäume mit ihren schlanken, grauborkigen Stämmen und den lichtgrünen Blattkronen, die sie damals beim Bau des Hauses stehen gelassen hatten, blühten Rhododendren in Schneeweiß, Fuchsia und leuchtenden Feuerfarben. Bougainvilleen versprühten ganze Fontänen aus Blütentropfen in Himbeerrot, Bonbonrosa und Amethyst, und sanft wippten in der Morgenluft die handtellergroßen Hibiskusblüten in Weiß, Lachrosa und Pomeranzengelb. Malerisch verteilt waren die Pflanzkübel mit den Orchideen in Veilchenblau, Quittengelb, Karfunkelrot und Zartrosa, die Lilien und die Oleandersträucher, und weiß, gelb und rosa blühende Frangipanibäume beschatteten die Sitzbank in einem der hinteren Winkel des Gartens.
Frau van Hassel sah ihren Sohn von der Seite her an und richtete ihren Blick wieder auf Floortje Dreessen, wie sie barfuß und aus vollem Hals lachend auf dem Rasen stand. Ihre Wangen glühten, und ihr Haar, das sie nur locker am Hinterkopf zusammengebunden hatte, kringelte sich über den Rücken des leichten Sommerkleids in Weiß und Blau.
»Sie ist einfach noch sehr jung«, sagte Marlies van Hassel schließlich leise und zupfte sich den Saum ihrer weißen Kebaya zurecht. »Fast noch ein Kind.«
»Sie ist neunzehn, Mutter«, erwiderte James und warf ihr einen Seitenblick zu. »Als du damals Vater geheiratet hast, warst du nicht wesentlich älter.«
Ihr Mund, der so viel voller wirkte als der ihres Sohnes, der in Aussehen und Wesen ganz seinem Vater nachschlug und durch und durch ein echter van Hassel war, verbreiterte sich zu
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