Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
einem leichten, fast schon wehmütigen Lächeln, und ihre Augen, von demselben dunklen Graublau wie Mohnsamen, wanderten nachdenklich in die Ferne. »Ich war damals aber schon sehr reif für mein Alter. Und ich war nicht nur dazu erzogen, ein großes Haus mit Personal zu führen, sondern hatte auch schon fast mein ganzes Leben hier auf Java verbracht. Sie spricht noch nicht einmal Malaiisch.«
James löste den Ellenbogen vom Türrahmen, stellte sich breitbeinig hin und verschränkte die Arme vor der Hemdbrust. Offen sah er seine Mutter an. »Du könntest ihr doch sicher alles beibringen, was sie für die Zukunft wissen muss. Gib ruhig zu, dass dir das Freude machen würde.«
Ein Schmunzeln zeichnete sich auf ihrem flächigen, gebräunten Gesicht unter dem schon fast völlig ergrauten Haardutt ab. Sie beobachtete Floortje, wie sie mit Dixie um den Stock rangelte und sich dabei der dünne Stoff des Kleides mal um sie aufbauschte, mal so eng anlag, dass sich die Konturen ihres schmalen Leibs darunter abzeichneten.
»Wenn sie nur nicht so furchtbar zart wäre«, flüsterte Frau van Hassel. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie auf Dauer dem Leben hier draußen gewachsen ist.«
»Vielleicht unterschätzt du sie, Mutter. Ich glaube, sie ist zäher, als sie aussieht.« James’ Hand umfasste den Türrahmen, als wollte er prüfen, wie haltbar er noch war. »Ich könnte ihr ein größeres Haus bauen. Ein schöneres. Vielleicht dort drüben.« Er zeigte auf das Ende der Rasenfläche und sah seine Mutter dann fragend an. »Das Geld dazu haben wir ja.«
Es rührte Marlies van Hassel an, dass ihr Sohn solche Pläne schmiedete und ernsthaft daran dachte, ein Nest für seine eigene Familie zu bauen, und dennoch kam sie nicht umhin, den Kopf zu schütteln.
»Ihr Männer«, sagte sie mit leisem Lachen. Sie schwieg einige Herzschläge lang, und Schatten zogen über ihr Gesicht, in dem nicht nur Freude und Glück, sondern auch Leid und Entbehrung ihre tiefen Spuren hinterlassen hatten. »Keinen Gedanken verschwendest du daran, was sein wird, wenn ein Kind unterwegs ist. Der nächste Arzt ist etliche Meilen von hier entfernt.«
Fünf Kinder hatte sie hier auf Java geboren, drei davon begraben, und die Geburt des letzten, ihrer Tochter Daisy, die gerade ihre Verwandten in den Niederlanden besuchte, hätte sie beinahe selbst das Leben gekostet. Sie spürte, wie sich James’ Hand auf ihre Schulter legte, und ohne ihn anzusehen, ließ sie ihre Finger auf den seinen ruhen.
»Natürlich«, fuhr sie gedankenvoll fort, »könnten wir rechtzeitig ein Haus in Buitenzorg mieten und dort die Niederkunft abwarten. Ich könnte so lange bei ihr bleiben, während du dich hier«, ihr Kinn ruckte auf den Garten hinaus, »um alles kümmerst.«
»Das würdest du wirklich tun?«, raunte James, und als sie nickte, verstärkte er sanft den Druck auf ihre Schulter. »Das würde mir eine Menge bedeuten.« Sie lächelte und klopfte ihm liebevoll auf die Finger, bevor sie ihn losließ und auch er die Hand von ihrer Schulter nahm.
»Magst du sie denn?«, fragte er nach einer kleinen Pause leise, und sie konnte die bange Hoffnung darin heraushören.
Marlies van Hassel sah Floortje zu, die sich auf den Rasen gesetzt hatte, den Saum ihrer Röcke bis über die gebräunten Unterschenkel hochgeschürzt, sodass die Rüschen an den Knien ihrer Unterhosen hervorlugten, und mit Dixie herumalberte und raufte, was der Hund mit spielerischem Knurren und Bellen quittierte. Die fröhliche, offene Art Floortjes gefiel ihr und auch, dass sie sich hier auf Rasamala ganz ungezwungen gab und immer fragte, ob sie sich irgendwie nützlich machen konnte. Aber ihr Gast war mit ungewöhnlich viel Gepäck angereist, und den verzückten Schilderungen Tikas, des Mädchens, das sich um das Gästezimmer kümmerte, hatte Frau van Hassel entnommen, dass sich darin elegante Kleider und Hüte befanden, die auf einer Plantage fehl am Platz waren. Zudem hatte sie in den Gesprächen bei Tisch herausgehört, dass Floortje Dreessen in Batavia bislang ein wesentlich luxuriöseres und komfortableres Leben geführt hatte, als es hier draußen im Priangan üblich und auch möglich war. Sie tat sich schwer damit, sich vorzustellen, wie dieses junge, flatterhafte Ding eines Tages das Haus mitsamt dem Personal an ihrer Stelle führen sollte, geschweige denn die Plantage leiten, sollte James jemals etwas zustoßen. Was Gott im Himmel verhüten möge, wie sie oft dachte, aber ein Unfall mit
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