Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
er heiratete und endlich zur Ruhe kam. Für Enkelkinder sorgte – für rechtmäßige weiße Enkelkinder, keine braunhäutigen, wie sie die Kampongs bevölkerten. Fast jede Familie in der Umgebung hatte dort unehelichen Nachwuchs umherspringen, und Marlies van Hassel wusste es zu schätzen, sich im Gegensatz zu vielen Frauen in der Nachbarschaft im beruhigenden Nichtwissen wiegen zu können, ob irgendwo dort draußen auf den Feldern womöglich halbe van Hassels herumliefen.
Langsam ließ sie sich auf dem hochlehnigen Schaukelstuhl nieder und faltete die Hände im Schoß wie zum Gebet.
»Hast du gut geschlafen?« Die Kerben beiderseits seiner Mundwinkel vertieften sich, als James Floortje von der Seite ansah. Gebückt und mit gebeugten Knien schritt er neben ihr aus, in einer Hand den Stock, in den sich Dixie knurrend verbissen hatte und daran zog und zerrte.
»Oh ja, sehr gut!«, rief Floortje lachend aus. Sie schlief tatsächlich sehr gut hier auf Rasamala, tief und traumlos, in der frischen, jeden Nachmittag von einem halbstündigen Regenguss reingewaschenen Bergluft, die im Vergleich zur dampfigen Hitze in Batavia kühl war, sodass sie des Nachts sogar ein Leintuch über sich breitete. »Du auch?«
»Mhh«, meinte James mit halb abschätziger, halb amüsierter Miene. »Nicht besonders. Ich lag fast die ganze Nacht wach, weil ich mir über ein paar Dinge klar werden musste.«
»Oh«, machte Floortje beklommen, und ihre Schritte verlangsamten sich. »Ich hoffe doch, es ist nichts Ernstes«, setzte sie tapfer hinzu.
»Doch«, erwiderte James mit zusammengezogenen Brauen. »Sehr ernst sogar.« Er ruckte so lange an dem Ast, bis Dixie ihn aus seinen Fängen gab und erwartungsvoll Männchen machte. Der Hund wurde nicht enttäuscht; in hohem Bogen warf James den Stock von sich, und Dixie wetzte los.
»Wollen wir uns setzen?«, fragte James und wies auf die Bank unter den Frangipanibäumen.
Floortje konnte nur nicken; ihre Kehle war wie zugeschnürt. Mit weichen Knien ließ sie sich neben James nieder; eingehüllt in den schweren, süßen Duft der Frangipani und die Hände in ihrem Schoß, kratzte sie angespannt mit dem Nagel des Zeigefingers an ihrem Daumen herum. Er schickt mich wieder weg , hämmerte es in ihrem Kopf. Er will mich doch nicht. Der Gedanke, mit James auf das falsche Pferd gesetzt zu haben und nun mit leeren Händen nach Batavia zurückkehren zu müssen, drehte ihr den Magen um.
Den Stock quer im Maul, kam Dixie hechelnd angesaust und hockte sich zwischen die Knie seines Herrn, der ihm ausgiebig den Rücken zu kratzen begann, sodass der Hund selig die Lider zudrückte, schließlich den Ast ablegte und sich zufrieden über die Lefzen schleckte.
»Gefällt es dir hier?«, erkundigte sich James leise.
Verwirrt sah Floortje ihn an. Seinem forschenden Blick konnte sie nicht standhalten, nicht mit dieser ängstlichen Unruhe im Bauch, neben der doch wieder zaghaft Hoffnung aufkeimte. Stattdessen ließ sie die Augen durch den üppig blühenden Garten schweifen und schließlich auf dem Haus zur Ruhe kommen, von dem sie anfangs so bitter enttäuscht gewesen war.
Die erste Etappe der Reise, die mit der Eisenbahn von Batavia ins schmucke Buitenzorg nur rund eineinhalb Stunden gedauert hatte, war im Wagen der ersten Klasse äußerst komfortabel gewesen. Danach waren sie in einen Pferdewagen umgestiegen, mit dem sie mehr als einen halben Tag lang über die unbefestigten Straßen bergauf und bergab geholpert waren. Blaue Dunstwolken hatten sich über dem flachen Kegel des Salak, eines friedlich schlafenden Vulkans, zusammengeballt, und die Hügel und Täler, die sich an sein nacktes, schroffes Antlitz schmiegten, waren von einem Grün, wie Floortje es noch nie gesehen hatte, so saftig und intensiv leuchtend. Die Kakaopflanzungen der tieferen Lagen gingen in Teegärten, Wälder und Kaffeeplantagen über, die sich schimmernd und glänzend durch die Landschaft wellten wie die reichen Raffungen von Floortjes grüner Seidenrobe, und die rote Erde verströmte einen würzigen Geruch, wie auch das dichte Blattwerk einen frischen, klaren Hauch ausatmete, in dem sich der süße Duft von Blüten erahnen ließ.
Der Himmel hatte sich schon mit dem Indigoschleier des späten Nachmittags überzogen, und in der Ferne rumpelte ein Donner, als der Wagen an einem Dörfchen aus Flechthütten vorbeigerollt und dann eine lange Allee aus schlanken Canaristämmen und Rasamalabäumen entlanggefahren war, die plötzlich eine scharfe
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