Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Biegung machte und den Blick auf das von blühenden Sträuchern eingerahmte Haus freigab, in dem Frau van Hassel sie mit einem Tee willkommen geheißen hatte.
Eine weitläufige, prächtige Villa wie die Häuser in Batavia hatte Floortje erwartet; stattdessen fiel die Wirklichkeit wesentlich bescheidener aus. Groß war zwar auch dieses Haus, aber doch eher einfach gehalten mit seiner einstöckigen Bauweise aus Stein und dem Holz der Rasamalas und mit dem vorgezogenen Ziegeldach, das nur von geschnitzten Pfosten und nicht von mächtigen Säulen gestützt wurde. Statt Kronleuchtern gab es Kerzenständer aus den Geweihsprossen von Rehwild, und keine Ölgemälde zierten die Wände, kein Nippes aus Porzellan die Schränke und Kommoden, sondern die Felle und Schädel von Panthern und Tigern und schillernd gemusterte Schlangenhäute. Immerhin war das Mobiliar aus sichtbar teuren, edlen Hölzern, und es gab nicht nur einen Bücherschrank, sondern auch Tafelsilber mit den Initialen des Familiennamens, das Floortje über die erste Enttäuschung hinweghalf. Und so wie die angespannte Erwartungshaltung, die sie an Frau van Hassel wahrnahm, Floortje verunsicherte, fühlte sie sich unter der behutsamen Herzlichkeit wohl, die James’ Mutter ihr entgegenbrachte.
Es war jedoch James, der Rasamala zu einem Ort machte, der Floortje bald wie ein Zuhause vorkam. Der das Tischgespräch ruhig, aber bestimmt in eine andere Richtung lenkte, sobald Frau van Hassel sich allzu neugierig nach Floortjes Familie und dem Grund erkundigte, weshalb sie nach Java gekommen war, und der sie mit bescheidenem Stolz den Nachbarn vorstellte, die eines Abends von der zehn Meilen entfernten Plantage zu rijsttafel und anschließend etlichen Gläsern Genever auf der Veranda herübergekommen waren. Seinen Arm um ihre Taille geschlungen, hielt er Floortje sicher vor sich im Sattel, während sie auf seinem kräftigen braunen Wallach die Reihen der Cinchona-Bäume entlang der Bewässerungsgräben abritten. Durch dichte, schattige Wälder voller Laubbäume, Palmen und Baumfarne führte er sie auf dem Rücken seines Pferdes und an Hängen entlang, unter denen Bäche munter durch das grüne Dickicht sprudelten und über denen aus üppigem Laubwerk rotorange Blüten hervorglühten, als stünden die Bäume in Flammen.
Floortje mochte, wie kameradschaftlich James den benachbarten Pflanzern begegnete und wie höflich er mit seinen Arbeitern und dem Hauspersonal umging. Und wenn sie mit ihm und Dixie durch den Garten tollte oder abends im Lampenschein auf der Veranda mit ihm und seiner Mutter unter allerlei Neckereien und Gelächter Karten spielte, fühlte Floortje sich wie befreit. Hier spielte es keine Rolle, wie sie aussah oder was sie anhatte, das machte sie hier nicht besser oder schlechter, einfach weil dies eine Welt war, in der solche Dinge keinerlei Bedeutung besaßen. Je mehr Zeit verstrich, umso leichter wurde ihr ums Herz, und sie begann zu ahnen, dass ihre Kindheit und ihre Jugendjahre ähnlich sorglos und unbeschwert hätten sein sollen. Hätte sie nicht nach und nach alles verloren. Ihre Mutter, als sie doch noch so klein gewesen war. Ihren Vater und ihren Bruder. Ihre Unschuld und dann auch ihre Würde.
Eine Frangipaniblüte fiel herab und landete in Floortjes Schoß. Geistesabwesend strich sie über die wächsernen Blütenblätter mit dem goldenen Herzen, die fest waren und doch so weich.
»Ja, sehr«, gab sie kaum hörbar zurück. Sie war glücklich auf Rasamala; sie wollte hier nicht mehr weg.
Verstohlen schielte sie zu ihm hin. Die Kerben um seine Mundwinkel blitzten kurz auf; er schien ganz darin aufzugehen, Dixie über den Kopf zu streicheln. Auch diese Art, sich ganz dem zu widmen, was er gerade tat, mochte sie an ihm, und die unerschütterliche Ruhe, die er ausstrahlte, war wie ein Kraftfeld, das sie ständig zu ihm hinzog.
Breitbeinig saß er da, Dixie zwischen den Knien, und die bloßen Füße fest auf dem Boden. Er hatte schöne, starkknochige Füße, und die einzelnen Härchen, die sich auf dem Fußrücken kräuselten, verdichteten sich die Knöchel aufwärts, die der Saum der Hosenbeine enthüllte. Auch aus dem weit geöffneten Hemdkragen lugten einzelne Härchen hervor, und Floortje fragte sich einmal mehr, wie er wohl ohne Hemd aussah. Dass er darunter einen kräftigen Oberkörper und ausgeprägte Muskeln verbarg, das hatte sie ertasten können, jedes Mal, wenn er sie hinter einem Baum in die Arme schloss und küsste; Küsse, die ihr
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