Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
große, gutaussehende Mann, der um ein Haar der ihre geworden wäre. »Du hast es offenbar immer noch nicht begriffen. Für dich ist ab jetzt nichts mehr, wie es bislang war.«
Weniger als eine Stunde hatte sie gebraucht, um sich umzuziehen und ihre Habseligkeiten in ihre Koffer und Schachteln zu stopfen. Tika hatte nur danebengestanden, und ihre bedrückte Miene war in ihrem Mitgefühl für Floortje kaum zu ertragen gewesen.
Ihre Reisetasche in der einen Hand, in der anderen den Samtbeutel mit dem Schmuck ging sie hinter Galang, der die erste Ladung Koffer schleppte, den Korridor entlang. Am Türrahmen zum Salon blieb sie stehen. Sofort brach das Gemurmel, das sie schon im Gang gehört hatte, ab. Ein gutes Dutzend Augenpaare starrte sie an; diejenigen der Gäste, die geblieben waren, um gespannt den Ausgang des Skandals abzuwarten und gleich morgen brühwarm weiterzuerzählen. Oder aber tatsächlich, um den in ihrem Ehrgefühl so hart getroffenen van Hassels in dieser schweren Stunde beizustehen.
Jaulend kam Dixie auf sie zugeschossen, und Floortje schickte sich an, die Tasche abzustellen, um ihn zu streicheln.
»Hierher, Dixie!« Mit verquollenen Augen, ein zerknülltes Taschentuch in der Hand, saß Marlies van Hassel in einem Stuhl; Frau Begemann hatte sich neben ihr niedergelassen und ihr einen Arm um die Schultern gelegt. Der Dachshund zögerte, blickte verunsichert hin und her. »Dixie! Wirst du wohl! Hierher!« Mit hängender Rute schlich er dann zu Frau van Hassel und verkroch sich unter ihrem Stuhl.
»Es tut mir wirklich sehr …«, setzte Floortje an, um sich bei Marlies van Hassel zu entschuldigen, deren Augen ihr beständig auswichen; doch der feindselige Blick, mit dem Frau Begemann sie bedachte, brachte sie zum Schweigen. Sie sah Edu an und streckte ihm dem Samtbeutel entgegen. »Hier, Edu. Das gehört dir.«
Sein Gesicht wirkte müde, als er mit dem Glas in seiner Hand auf ein Tischchen neben der Tür wies. »Leg es einfach dorthin.« Er sah ihr nicht einmal in die Augen.
Floortjes Mundwinkel zuckten spöttisch; als hätte sie eine ansteckende Krankheit, wollte sie jeder möglichst weit von sich fernhalten. Ein Räuspern ließ sie aufsehen, und ihr Pulsschlag beschleunigte sich, als Herr Aarens einen Schritt auf sie zumachte. Edu war jedoch schneller; er nahm ihn bei der Schulter und raunte ihm mit abgewandtem Gesicht etwas zu, worauf Herr Aarens in sich zusammensank und sich umdrehte, dann den Kopf zurückwarf und den Inhalt seines Glases die Kehle hinabschüttete.
»Floortje.« Emma Merselius war aufgestanden und trat auf sie zu; auch ihr Gesicht sah verweint aus. »Es tut mir so leid«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Mir ist das so rausgerutscht, als ich die Einladung auf dem Schreibtisch meines Onkels entdeckt habe. Ich konnte doch nicht ahnen, dass …«
»Emma!«, rief Herr Merselius scharf von seinem Platz am Fenster aus.
»Alles Gute für dich«, flüsterte Emma und drehte sich um.
Floortje rang sich ein tapferes Lächeln ab und blieb noch einen Moment lang stehen.
Genauso hatten die Mädchen auf dem Schulhof, auf den Korridoren und in den Klassenzimmern sie angestarrt, während sie über Floortje tuschelten. … jeden Nachmittag ist sie bei ihm … sein Liebling … denkt wohl, sie ist was Besseres! … wer weiß, was die sonst noch miteinander so alles … Auf dieselbe Weise hatten die Bürger von Sneek ihr hinterhergeschaut, als sie wieder auf den Beinen war. … den Rektor verführt, stellen Sie sich mal vor! Hätte ihn um ein Haar die Stellung gekostet, den armen Mann … womöglich nicht der Einzige … sieht man ihr doch an! Kein anständiges Mädchen läuft so herum … Die arme Cokkie! Hat sich doch die Arme und Beine für das Gör ausgerissen, und wie dankt sie es ihr?
Ohne ein weiteres Wort, ohne eine Geste drehte Floortje sich um und trat durch die Eingangstür ins Freie, wo Galang schon auf dem Kutschbock des bepackten Wagens wartete.
Wie Irrlichter tanzte der Widerschein der Kutschlaternen über die Stämme der Rasamalabäume entlang der Allee, und die Hufe der Pferde klapperten auf dem schon wieder getrockneten Erdboden. Ihre Reisetasche auf dem Schoß, sah Floortje in die Dunkelheit hinaus. Das Silberlicht der Sterne löste die Silhouetten von Bäumen, Hügeln und dem Bergkegel des Salak aus der tiefschwarzen Nacht. Ihr war kalt, aber sie wollte Galang nicht bitten anzuhalten, damit sie sich einen Schal aus einem der Koffer holen konnte. Sie bekam, was sie
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