Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
die nächtlichen der vergangenen Woche, verstummt waren, war der Major in Uniform nach Ketimbang hinübergeritten, um dort vom Contrôleur vielleicht Näheres zu erfahren. Vorhin erst war er zurückgekommen, sie hatte ihn durch den aufstiebenden Sand herangaloppieren gesehen, und nur mit einem Nicken als Gruß war er in den Stallungen verschwunden.
Ernst sah sie ihn an. »Was hat Herr Beyerinck gesagt?«
Sein Mund unter dem Bart bog sich abwärts. »Nicht viel. Ein paar Fischer von Sebesi waren heute wohl auf Krakatau, um Bäume zu fällen und Brennholz zu schlagen, als der erste Knall unmittelbar in ihrer Nähe losging. Eines unserer Kriegsschiffe im Manöver, dachten sie zuerst; dem zweiten Knall gingen sie dann nach. Der Strand sei vor ihren Augen explodiert, haben sie später berichtet, in Fontänen aus schwarzer Asche und glühend rotem Gestein, und der Wasserspiegel sei angestiegen.« Er kratzte sich an der Stirn. »Der Resident von Teluk Betung, der Hafenstadt im Inneren der Bucht, ist herübergekommen, auf telegraphische Anweisung aus Batavia. Dort hat man die Erschütterungen wohl auch gehört. Mit ihm ist Beyerinck nach Krakatau rausgefahren. Sobald sie zurück sind, wissen wir vielleicht mehr.«
Jacobina nickte und richtete den Blick wieder auf die beiden Inseln. »Sehen Sie das auch?«, flüsterte sie und deutete mit dem Finger hinüber. »Als ob dort Rauch aufsteigen würde.«
»Wo?« Er trat näher, so dicht, dass er sie beinahe mit der Schulter streifte, und starrte mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, in die Jacobina wies. »Kann sein«, erwiderte er schließlich wenig überzeugt.
»Jetzt sieht man es nicht mehr so gut«, meinte sie verlegen. »Der Dunst legt sich darüber. Aber vorhin war ich mir sicher. Und das Meer ist ganz unruhig.«
Prüfend sah er sie von der Seite her an. »Haben Sie Angst?«
Jacobina horchte in sich hinein. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Angst nicht, nein. Ich bin eher beunruhigt. Schon allein wegen der Kinder. Beide waren völlig verstört.« Ihre Stirn zerfurchte sich und glättete sich dann wieder. »Jetzt schlafen sie zum Glück; ich hoffe, bis morgen früh haben sie den Schrecken schon wieder vergessen.« Sie schlang die Arme enger um ihren Oberkörper und sah den Major an. »Glauben Sie, dass es zu einem Ausbruch kommt?«
»Ach«, gab der Major mit einem Auflachen von sich und warf den Kopf zurück. »Nicht doch! Die Erde hier ist wie ein ungehobelter Soldat, der ab und zu unflätig rülpst, dann war es das aber auch schon.« Sein Grinsen ließ ihn fast jungenhaft wirken. »Wahrscheinlich fühle ich mich deshalb hier so wohl.«
Jacobina lachte leise.
»Sie fühlen sich hier auch sehr wohl, scheint mir«, fügte er hinzu.
Sie sah auf das Meer hinaus und nickte. »Ja, sehr. Auch wenn«, sie warf ihm einen scherzhaften Seitenblick zu und wippte auf den Fußballen auf und ab, »ich mich bemühe, möglichst nicht wie ein Soldat zu rülpsen.«
Der Major gab sein dröhnendes Lachen von sich. Als es verklang, musterte er Jacobina eingehend.
»Das ist gut«, meinte er schließlich. »Dass Sie sich hier wohlfühlen.« Sie zuckte zusammen, als er seine Hand auf ihren Oberarm legte, die sich durch den dünnen Stoff der Kebaya sehr warm anfühlte, beinahe heiß. »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten? Ich war gerade bei meiner Frau. Ihr hat das Ganze heute sehr zugesetzt. Würden Sie bitte nach ihr sehen? Sie haben da eindeutig mehr … Feingefühl als ich.«
»Ja, natürlich, Herr Major«, erwiderte Jacobina mit einem Nicken, ein bisschen stolz, dass er sie so ins Vertrauen zog.
Er lächelte, ein Lächeln, das seine Augen aufhellte, und verstärkte den Druck seiner Hand. »Danke.«
Zaghaft klopfte Jacobina an das von Feuchtigkeit verzogene und an einigen Stellen gesprungene Holz. Als sie glaubte, eine leise Antwort dahinter vernommen zu haben, schob sie sachte die Tür auf und spähte vorsichtig in den Raum.
Die Fenster standen offen, die Fensterläden aber waren geschlossen, und durch die Schlitze konnte Jacobina das dichte, flammenfarbig blühende Grün des Gartens und das des Regenwalds dahinter ausmachen. Ein breites Bett aus schwerem, dunkel glänzendem Holz nahm den größten Teil des Zimmers ein. Über den mit Schnitzwerk verzierten Baldachin war ein Moskitonetz geworfen und auf der der Tür zugewandten Seite zurückgeschlagen, und beiderseits standen zwei kleine Nachttische. An die gegenüberliegende Wand war ein Frisiertisch mit Spiegel
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