Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
darstellte.
Jacobina schluckte den Bissen Papaya herunter, den sie gerade noch im Mund gehabt hatte, und nickte. »Mehrfach. Du zeigst ihn mir jeden Tag ungefähr achtundsiebzig Mal!«
»Stimmt gar nicht«, verteidigte er sich verlegen und pulte an dem betreffenden Zahn herum.
»Nicht bei Tisch, Jeroen!«, rügte ihn seine Mutter, und der Junge schnaufte auf.
»Kommen Sie wieder mit ins Wasser, Fräulein van der Beek?« Der Major sah sie über den Tisch hinweg an.
»Sehr gern«, erwiderte Jacobina und fasste Jeroen, der ungeduldig herumzappelte, in beruhigender Absicht um die Leibesmitte. »Kommen Sie auch mit, Frau de Jong?«
»Au ja!«, rief Jeroen aus. »Bitte, Mama! Heute endlich mal!«
»Ach, ich weiß nicht«, gab sich Margaretha de Jong zögerlich und drehte eines ihrer zierlichen Ohrgehänge zwischen den Fingern. »Ich kann ja auch gar nicht schwimm…«
Ein greller Schlag zerriss die friedliche Stille. Ein Knall, der in der Luft explodierte und sie erzittern ließ. Greller als das Donnerkrachen, das die Woche über in den Nächten den Schlaf gestört hatte, ohrenbetäubend und giftig. Ein Schallhieb, der sie alle scharf im Genick traf.
Margaretha de Jong schrie auf, und Ida heulte schrill los.
Die Veranda erbebte; der Kaffee schlug Wellen in den Tassen, die auf ihren Untertassen klirrten. Das Besteck schepperte auf den Tellern, und die Rambutans kullerten vom Tisch; irgendwo im Haus fiel polternd ein Bild von der Wand, und Ningsih ließ die Kaffeekanne fallen, die auf dem Holzboden zersprang.
Jeroen warf sich gegen Jacobina, die ihn an sich presste, seinen Kopf mit einer Hand schützend gegen ihre Brust gedrückt. Mit einem schnellen Blick vergewisserte sie sich, dass Ida genauso bei Melati Zuflucht gefunden hatte, die sie mit angstgeweiteten Augen anstarrte.
»Ruhig, M’Greet.« Mit unbewegter Miene hielt der Major die Hand seiner Frau fest, die sich ängstlich an ihn klammerte. »Ist gleich wieder vorbei.«
Floortje unterdrückte ein Gähnen. Eigentlich war es für ihren Geschmack noch zu früh am Tag, aber gerade sonntags war rings um die Veranda des L’Europe besonders viel los. Dann, wenn es die Beamten und Geschäftsleute, die an ihrem freien Tag nichts mit sich anzufangen wussten, aus ihren leeren Häusern forttrieb; wenn es sie vom Frühstückstisch, der rijsttafel oder der Lektüre des Java Bode beim Nachmittagskaffee fortzog, um sich eine Gefährtin für ein oder zwei Stunden zu suchen. Eine hellhäutige, europäische Gefährtin, die bei Tageslicht noch immer eine Illusion von Achtbarkeit umgab, während die Opiumhöhlen und Freudenhäuser in Glodok und in der Nähe des Hafens erst bei Einbruch der Dunkelheit reizvoll wurden, wenn schummrige Beleuchtung dem Schmutz, dem Verfall den morbiden, aufregenden Zauber der Halbwelt verlieh. Wenn die Tropennacht das Begehren nach einer mandeläugigen Chinesin oder einer exotischen Schönheit mit Haut wie Teakholz und pechschwarzem Haar wachrief. Erstaunlich, wie redselig manche Männer sein konnten, wenn sie noch hölzern auf der Bettkante saßen und sich nervös über die Oberschenkel rieben, während sie darauf warteten, dass sich ihre Hemmungen legten, sich soeben eine Frau gekauft zu haben. Wenn sie den starken Mann markierten, weil vor ihnen ja nur so eine stand, oder sie hinterher körperliche Vereinigung mit Vertrautheit verwechselten.
Sich in Unterwäsche auf dem Bett des Hotelzimmers zu räkeln verstärkte noch Floortjes Bedürfnis, einfach die Augen zu schließen und einzudösen. Stattdessen zwang sie sich, wach zu bleiben und dem Mann neben ihr ein verführerisches Lächeln zu schenken.
»Ich könnte dich den ganzen Tag nur anschauen«, flüsterte er und ließ eine ihrer Haarsträhnen durch seine Finger gleiten. Sie hatte heute Morgen kaum ihre erste Tasse Kaffee auf der Veranda ausgetrunken, als er zu ihr gekommen war und gefragt hatte, ob er sich zu ihr setzen dürfte. Ein schlanker, gepflegter Mann in einem teuren Anzug, Haar und Bart eisgrau und tiefe Linien unter den Augen, so blau wie Vergissmeinnicht, der sich ihr als Frans vorgestellt hatte; die meisten Männer, die ins L’Europe kamen, hießen hier entweder Frans, Hans oder Frits.
Floortje hob eine Augenbraue. »Den ganzen Tag? Das wird aber teuer!«
Es gab sie tatsächlich, die Männer, denen es genügte, sie einfach im Arm zu halten, aus ihrem Leben zu erzählen und verflossene Lieben zu betrauern; einer hatte sogar an ihrer Schulter geweint, als er von seiner
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