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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Nacht verblassen ließ.
    Die ganz gewiss tatsächlich nur ein Versehen gewesen waren. Ein Missverständnis.
    Genau wie er gesagt hatte.

31
    Buitenzorg, den 17. Juli 1883
    Liebste Jacobina,
    nachdenklich, fast bedrückt kommen mir Deine Zeilen vor. Was beschäftigt Dich so sehr? Ist es, weil noch eine ganze Zeit verstreichen wird, bis wir tatsächlich Hand in Hand unseren gemeinsamen Lebensweg beschreiten können? Oder ist es das genaue Gegenteil, dass Dir doch alles zu schnell vonstattengeht? Ich hoffe, Du kennst mich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass ich ein geduldiger Mensch bin und Dich nie zu etwas drängen würde. Genauso bin ich keine wankelmütige Seele und stehe zu meinem Wort, ob heute, morgen oder in ein paar Jahren. Nimm Dir alle Zeit, die Du brauchst; so lange werde ich hier sein und warten, ohne Eile, ohne Unmut.
    Und sollten Dich Zweifel plagen oder Unschlüssigkeit – auch das könnte ich verstehen. Es wird ein großer Schritt sein, den wir wagen, willst Du wirklich den Bund der Ehe mit mir schließen. Für Dich noch ein wesentlich größerer als für mich, denn Du wirst es sein, die hier noch einmal ein neues Leben beginnt, eines, das Dir sicher erst einmal fremd, mir aber längst vertraut ist. Aber auch Deine etwaigen Zweifel sind mir willkommen, zeigen sie mir doch, dass Du kein Mensch bist, der solche Dinge auf die leichte Schulter nimmt.
    Möchtest Du mir nicht anvertrauen, was Dir zu schaffen macht? Ich hoffe, Du weißt, dass ich für alles an Gedanken, Kümmernissen und Nöten ein offenes Ohr habe. Immer. Mir ist nichts Menschliches fremd, und ich verurteile nie. Frag Vincent, er weiß, was für einen guten Beichtvater ich abgebe.
    Ich küsse Dich,
    Jan
    Die bloßen Knöchel unter dem zweisitzigen Rattansofa über Kreuz, saß Jacobina auf der Veranda und sah aufs Meer hinaus, das sich wie ein zart gekräuseltes Seidentuch, eingefärbt in ineinanderfließendes Grün, Blau und Türkis, vor ihr ausbreitete. Eine angenehme Brise, sanfter als der unbändige Wind der letzten Wochen, flatterte herüber und zupfte am Saum ihres Sarongs, am Stoff ihrer Kebaya und an den losen Strähnen ihres Haarknotens. Durch das geöffnete Fenster hinter ihr konnte sie im Salon das Klappern und Klingen von Tafelsilber hören und das malaiische Gemurmel Ratus, die Ningsih an dem großen Tisch aus Teakholz in die Feinheiten europäischen Bestecks und dessen Pflege einwies.
    Jacobina saß gerne hier; hier musste sie schon bewusst den Kopf wenden, um den Dschungel ins Blickfeld zu bekommen, der ihr nach wie vor Beklemmung verursachte. Es genügte, dass sie ihn trotzdem selbst an diesem Platz noch in ihrem Rücken spürte wie ein lauerndes Ungetüm, das mit rasselnden, fauchenden Atemzügen danach lechzte, loszupreschen und seine Begierde nach Beute zu stillen.
    So, wie sie unentwegt die Augen des Majors auf sich spürte. Forschend. Abwägend. Geradezu lauernd. Mit einem ganz bestimmten Glitzern darin.
    Jacobinas Finger strichen über die malaiische Grammatik, die aufgeschlagen in ihrem Schoß lag. Fest entschlossen, die lingua franca Ostindiens bis zum nächsten Jahr wenigstens einigermaßen zu verstehen und zu sprechen, versuchte sie jede freie Stunde zum Lernen zu nutzen. So wie an diesem Nachmittag, an dem Margaretha de Jong mit Melati und den Kindern wieder einmal zum Tee bei den Beyerincks nach Ketimbang hinübergefahren war. Doch es fiel ihr schwer, ihre Gedanken zu sammeln; oft dachte sie daran, wie Frau de Jong gesagt hatte, die Tropen würden einen über kurz oder lang den Verstand kosten.
    Zudem bekam Jacobina diese Bilder nicht aus ihrem Kopf. Vincent de Jong, nackt. Sein Geschlecht, groß und steif. Wie er Ningsih angefasst, sich in sie hineingeschoben und dann vor und zurück bewegt hatte. Sein Gesichtsausdruck dabei, sein Blick.
    Ob es immer so war, zwischen Männern und Frauen? Ob Jan das Gleiche mit ihr tun würde, in ihrer Hochzeitsnacht und in allen folgenden Nächten, bis dass der Tod sie scheiden würde? Sie hätte ihn gerne gefragt, doch sie traute sich nicht; womöglich hielt er sie sonst für eine hoffnungslos verklemmte alte Jungfer oder im Gegenteil für ein liederliches Frauenzimmer, das keine passende Ehefrau für einen Missionar abgab, war er selbst auch noch jung und keineswegs verknöchert, sondern allem Menschlichen gegenüber aufgeschlossen. Daran ist nichts Schlechtes , hatte er zu ihr gesagt, im Botanischen Garten von Buitenzorg, bevor er sie gefragt hatte, ob sie seine Frau

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