Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
werden wolle. Gott hat uns als Männer und Frauen geschaffen und uns das körperliche Begehren gegeben. Nicht nur zur Zeugung von Kindern. Sondern auch als Lobpreis seiner Schöpfung. War dem wirklich so? Und was, wenn das körperliche Begehren nicht nur gut war, sondern auch eine dunkle, eine teuflische Seite hatte – selbst wenn es tatsächlich gottgegeben sein sollte?
Vor allem aber konnte sie Jan nach diesen Dingen nicht fragen, weil sie nicht wusste, wie sie ihm erklären sollte, warum sie auf solche Gedanken kam. Noch immer schoss ihr das Blut ins Gesicht, wenn sie daran dachte, wie sie, von taktloser Neugierde getrieben, diese unanständigen Photographien aus dem Uniformrock des Majors geholt und sich danach wie ein dummes, ungezogenes kleines Mädchen hinter dem Vorhang versteckt hatte. Wie sie de Jong und Ningsih beim Geschlechtsakt zugesehen hatte, gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen.
Und eine ganz ähnliche Scham zog glühend durch sie hindurch, wenn sie nachts in ihrem Bett die Finger unter ihr Nachthemd wandern ließ, dorthin, wo der Major in Ningsih gewesen war; Stellen, die sie bisher immer nur schnell gewaschen und ansonsten unbeachtet gelassen hatte. Die dabei feucht wurden und ein süßes Ziehen erwachen ließen. Dieselbe Empfindung, die sie an jenem Tag hinter dem Vorhang gehabt hatte und die sich seither immer wieder einstellte, wenn sie an den Major und Ningsih dachte oder wenn der Major sie mit blauglitzerndem Blick musterte. Jedes Mal aufs Neue presste sie dann fest die Beine zusammen, um diese ebenso köstliche wie beunruhigende Regung zum Verschwinden zu bringen. So wie auch jetzt wieder, während sie auf dem Rattansofa saß und aufs Meer blickte.
»So allein?«
Jacobina fuhr zusammen; erschrocken sah sie den Major an, der in seiner Uniform im Türrahmen lehnte. »Guten Tag, Herr Major«, murmelte sie und wandte rasch den Blick ab.
Ohne ihren Gruß zu erwidern, ließ er sich neben sie fallen und stellte die Füße in den Stiefeln breitbeinig hin, sodass sein Knie ihren Oberschenkel berührte. Verstohlen rückte Jacobina ein wenig ab und packte das Buch in ihrem Schoß fester. Er streckte den Hals, neigte sich zu ihr herüber, und seine Schulter presste sich dabei an ihren Oberarm. Die Wärme seines Körpers drang durch den Stoff ihrer Kebaya hindurch und ließ ihr den Schweiß ausbrechen, und sein Geruch nach dem feuchten Tuch der Uniform, nach Pferdehaar, Leder und Metall und nach dem Salz erhitzter Haut nicht minder.
»Was lesen Sie da Schönes?«
»Ich versuche, Malaiisch zu lernen«, gab sie zurück und schob vorsichtig ihren Oberkörper von ihm weg.
Er lachte dröhnend auf. »Malaiisch lernt man doch nicht aus einem Buch! Das lernt man, indem man es hört und spricht!« Sie spürte seinen Blick auf sich und wie sich sein Knie erneut gegen ihren Oberschenkel drückte. »Ich kann es Ihnen beibringen, wenn Sie wollen.«
»Danke, sehr freundlich«, erwiderte sie schnell, klappte das Buch zu und sprang auf. »Vielleicht ein anderes Mal. Ich muss jetzt auch …«
Seine Finger packten sie beim Handgelenk und hielten sie zurück; langsam stand er auf, und unwillkürlich trat Jacobina einen Schritt zurück.
»Sie scheinen mir in der letzten Zeit aus dem Weg zu gehen.«
Jacobina ließ sich von seinem drängenden Blick nicht einschüchtern und hob die Brauen. »Wundert Sie das?«
Er lachte leise mit gebleckten Zähnen. »Keine Sorge. Ihr kleines Geheimnis ist bei mir in guten Händen.«
Ihre Stirn zerfurchte sich. » Mein Geheimnis?«
Das Lachen des Majors rumpelte lauter heran. »Welches sonst? Meine Frau hat schon vor langer Zeit begriffen, dass man einen Tiger nicht zähmen kann. Er wird immer wieder auf die Jagd gehen.« Sein Gesicht verzog sich abschätzig. »Was sie allerdings dazu sagen wird, dass ich Sie, unsere so geschätzte und geliebte noni Bina, mit den Fingern in ihrem Schmuck erwischt habe …«
»Aber ich war nicht …«, setzte Jacobina zu heftigem Widerspruch an; als der Major grinste, begriff sie.
»Damit jagen Sie mir keine Angst ein.« Jacobina versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie unnachgiebig fest.
»Nicht doch.« Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Ich wollte Ihnen nur klarmachen, dass Sie aufhören können, mich so anzuschauen, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Nicht wegen einer solchen Nichtigkeit wie einem Schäferstündchen.«
Ein Zittern durchlief Jacobina. »Ich glaube nicht, dass es für
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