Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
ausstreckte und sich sechshundert Florin abzählte. Die Scheine fest in der Hand, ging sie auf die Tür zu und mied dabei seine Augen, die sie auf sich spürte.
»Fleur«, sprach er sie leise an, beinahe freundlich; trotzdem gefror ihr das Blut in den Adern unter der Kälte, die in seiner Stimme mitschwang, und sie blieb stehen. »Gehorch mir einfach. Sei ein braves Mädchen und tu, was ich von dir verlange. Dann wird dir nichts geschehen.«
Als sie nichts mehr von ihm hörte, keinen Laut, keine Regung, auch nicht, als sie die Tür öffnete und über die Schwelle trat, atmete sie auf. Mit bleiernen Gliedern schlich sie die Treppe hinauf und schleppte sich in ihr Zimmer, wo sie sich auf ihr Bett fallen ließ, verschwitzt und staubig wie sie war.
Lange Zeit starrte sie nur vor sich hin. Sie dachte an Betty und Ruth, an Jenny und Gertrud. Und an Jacobina. Vor allem an Jacobina.
Sie wünschte, sie könnte die Zeit um ein Jahr zurückdrehen und noch einmal von vorne anfangen; so vieles würde sie heute anders und besser machen. Dann würde sie jetzt nicht hier liegen, in diesem luxuriösen Zimmer, in diesem schönen großen Haus, in dem sie gefangen war. Mit der Angst in ihrem Leib, die sich wie ein bissiges Tier durch sie hindurchfraß, ihr den Schweiß bei jedem Atemzug ausbrechen und sie gleichzeitig frösteln ließ. Ohne zu wissen, wie sie hier je wieder herauskommen sollte.
Ihre Finger, die sich immer noch um das Geldbündel geschlossen hatten, öffneten sich, und die Scheine glitten heraus; aus den Augenwinkeln sah sie, wie ein paar davon über die Bettkante hinunterflatterten. Andere blieben auf ihrer nassen Handfläche kleben, und hastig, beinahe angeekelt wischte sie sie weg.
Floortje drehte sich auf die andere Seite und rollte sich eng zusammen, und die ersten Tränen rannen über ihr Gesicht.
33
»Tidak apa-apa« , wiederholte Jacobina, und unwillkürlich wippte ihr nackter Fuß im Takt der Silben mit. Fragend sah sie von der Holzbank auf der Veranda zu Endah hinunter, die mit den Fingernägeln Blüten aus einer Staude abknipste und in einem flachen Korb, den sie unter dem Arm trug, sammelte. Der üppig wuchernde Garten, von zwei Männern aus Ketimbang liebevoll gehegt, bot eine Fülle an Blüten, Blättern und Kräutern für Endahs Tinkturen und Salben, sodass sie nur noch bestimmte Essenzen, Pulver und Öle wie Kokosnuss, Sandelholz und Sesam in Ketimbang besorgen musste. Und Endah war es auch, die die Schlafzimmer und das Badehaus jeden Tag mit frischen Blumensträußen, ausgestreuten Blütenblättern und aufgefädelten Girlanden schmückte.
» Tidak apa-apa «, bestätigte Endah kopfnickend, und als ihre Augen sich mit Jacobinas trafen, brachen beide Frauen in Lachen aus.
Jacobina mochte Endah, die mit ihrem ausladenden Hinterteil und dem großen Busen für eine Malaiin recht kräftig geraten war, sich aber dennoch mit der geschmeidigen Grazie der einheimischen Frauen bewegte. Ihr herzförmiges Gesicht mit der kleinen, flachen Nase und den großen dunklen Augen hatte etwas von einer Blüte, vor allem ihr Mund, der einen großzügigen Schwung aufwies. Und da Jacobina an den Nachmittagen, die Frau de Jong mit den Kindern und Melati in Ketimbang verbrachte, am liebsten hier auf der Veranda saß, war es ihr zu einer lieben Gewohnheit geworden, mit Endah die malaiischen Begriffe zu üben, die sie neu gelernt hatte. So wie tidak apa-apa , was so viel bedeutete wie macht nichts .
Jacobina wandte den Kopf. Auf der Schmalseite der Veranda hockten Ratu und Ningsih in Kauerstellung beisammen und gestalteten aus den roten, orangefarbenen und sonnengelben Blüten des Gartens Tischschmuck für den Salon.
» Noni Bina!« Auffordernd hielt Endah ihr eine prächtige Lilienblüte hin, schüttelte aber den Kopf, als Jacobina die Hand danach ausstreckte, und winkte sie stattdessen zu sich heran.
Jacobina beugte sich herab, und geschickt befestigte Endah die Blüte in ihrem Haarknoten.
» Terima kasih «, sagte Jacobina lächelnd.
Endah nickte zufrieden und lächelte dann ebenfalls. » Sama-sama .« Gern geschehen .
Ihre Augen wanderten zum Haus hin, und ihr Lächeln erlosch, und als sie sich schnell auf die Knie niederließ, um weiter Blüten aus dem Strauch zu zupfen, wirkte ihre Miene angestrengt.
Jacobina drehte sich halb um und spürte, wie sie sich selbst anspannte. Breitbeinig und die bloßen Füße fest auf dem Holzboden, die Daumen in die Taschen seiner Pyjamahose gehakt, stand der Major vor dem
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