Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
sich um und warf Floortje einen sehnsüchtigen Blick zu, bevor er seine Taschenuhr hervornestelte, den Deckel aufschnappen ließ und das Zifferblatt eingehend studierte, ganz so, als könnte er darauf den günstigsten Moment ablesen, Fräulein Dreessen anzusprechen. Oder aber als wollte er damit zu verstehen geben, alle Zeit der Welt zu haben, um auf ein Zeichen von ihr zu warten. Mit enttäuschter Miene und unter Hüsteln und Räuspern klappte er dann jedes Mal die Uhr zu und verstaute sie wieder, sah noch einmal zu Floortje hinüber und widmete sich erneut der eintönigen Aussicht.
    »Lieber nicht«, flüsterte Floortje und zog ihre Nase kraus. »Sonst macht er sich noch falsche Hoffnungen!«
    »Ich dachte, du findest ihn nett«, sagte Jacobina erstaunt.
    »Tu ich doch auch!«, erwiderte Floortje nicht weniger erstaunt. »Er ist ein anständiger, lieber Kerl. Aber er hat ja noch nicht einmal einen Pachtvertrag in der Tasche! Und selbst wenn er jetzt schon ein Stück Land sein Eigen nennen könnte – es wird Jahre dauern, bis das bebaut ist und Ertrag abwirft. Bis darauf ein Haus steht, in dem es sich komfortabel leben lässt. So lange will ich doch nicht in der Wildnis hausen!« Sie umschlang ihre Knie fester und scharrte nachdenklich mit einem Fuß über das Polster. »Und außerdem …«, fügte sie mit einem Murmeln hinzu, »außerdem stelle ich mir meinen Zukünftigen doch ein wenig fescher vor.« Eine feine Röte überzog ihre Wangen, als sie Jacobina von der Seite ansah, und das kokette Lächeln, zu dem sich ihre Lippen kräuselten, wirkte dazu nachgerade widersprüchlich.
    Jacobina verspürte einen feinen Stich, wie immer, wenn es um Äußerlichkeiten ging. Um ihren wunden Punkt. »So wie die dort drüben?« Mit einer Kopfbewegung wies sie in Richtung der vier Rekruten, die sich um einen Tisch versammelt hatten und um kupferne Cent Karten spielten.
    Floortje schien den galligen Unterton nicht bemerkt zu haben; zumindest störte sie sich nicht weiter daran. Sie kicherte, und als einer der vier Burschen, ein lang aufgeschossener, semmelblonder Schlaks namens Frits, ihren Blick auffing, winkte sie ihm geziert zu. Er lief rot an, grinste aber von einem Ohr zum anderen, was seine äußerst charmanten Grübchen zum Vorschein brachte, und betont lässig warf er eine Karte aus seinem Blatt in die Mitte des Tischs.
    »Schon eher«, schnurrte Floortje mit einem verklärten Lächeln. Ihre Augen funkelten übermütig, als sie Jacobina wieder ansah. »Oder wie die Heizer, die wir auf unserem Rundgang über das Schiff gesehen haben – erinnerst du dich?«
    Jacobinas Gesicht wurde heiß, und sie senkte den Blick. Natürlich erinnerte sie sich. An die lodernde Hitze und das Zwielicht des eisenverkleideten Raumes und an den glutroten Widerschein des Feuers in den Kesseln, der über die Silhouetten der Männer flackerte. Sie erinnerte sich an starke, rußverschmierte Arme, deren Sehnen und Muskeln sich deutlich abzeichneten; an weit geöffnete Hemden, die schweißglänzende Haut sehen ließen, und an eine einzelne bloße Männerbrust, markig und robust, dunkel entweder von dichtem Haar oder Kohlenstaub. Nur zwei, drei Herzschläge lang hatten sie und Floortje mit großen Augen und offenem Mund hinstarren können; dann war Kapitän Hissink aufgegangen, dass dies mitnichten ein geeigneter Anblick für junge Damen war. Hastig hatte er sie zum Weitergehen angetrieben und mit einem fieberhaften Wortschwall seinen Fauxpas zu überspielen versucht, bis sie wieder in unverfänglicheren Räumlichkeiten angelangt waren.
    »Der arme Käpt’n!«, raunte Floortje gedehnt, und Jacobinas Mundwinkel zuckten, so fest sie sich auch auf die Lippen biss. »Der wälzt sich bestimmt jetzt noch nachts in seiner Koje hin und her, weil er von der Vorstellung gefoltert wird, wie wir uns bei der Reederei darüber beschweren, dass er uns einem solch unschicklichen Anblick ausgesetzt hat!« Ein Kichern sprudelt in ihrer Kehle herauf.
    Jacobinas Mundwinkel schnellten auseinander, und ein echtes, offenes Lächeln entfaltete sich auf ihrem Gesicht. Dieses Lächeln, von dem sie lange geglaubt hatte, es könnte alle ihre anderen Makel überstrahlen. Bis sie mehrfach darauf hingewiesen worden war, wie wenig damenhaft es aussah, wenn sich ein solch großer Mund wie der ihre auch noch übermäßig in die Breite zog und dabei derart viele Zähne zeigte, mochten sie auch noch so weiß und regelmäßig sein. Bei dem Gedanken daran schrumpfte das Lächeln wieder

Weitere Kostenlose Bücher