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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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eine dritte saß auf seinem Hut; die Clowns trieben Schabernack, und die Artisten in ihren farbenfrohen Kostümen tollten mit Salti und Luftsprüngen im Kreis herum.
    »… wünsche ich Ihnen einen unvergesslichen Abend!«, rief Anna Wilson mit ausgebreiteten Armen und verschwand hinter dem Vorhang.
    Mit andächtig gefalteten Händen und großen Augen saß Floortje auf ihrem Platz und hielt den Atem an, während Löwen durch brennende Reifen sprangen und Elefanten Männchen machten. Mit besonderem Stolz stellte eine junge Artistin namens Nanette den kleinsten Elefanten der Weltgeschichte vor, der auf Java geboren worden war und mit frenetischem Jubel und Applaus in seiner alten Heimat begrüßt wurde, bevor er mit seinem Rüssel Bälle jonglierte und in einem Hindernisparcours durch die wassergefüllten Wannen stapfte. Clowns schlurften und stolperten durch die Manege, schlugen sich Besen über den Kopf, erschreckten sich gegenseitig mit Trompetengetröt und bewarfen sich mit Torten. Miss Selma Troost, der wohlbekannte Liebling aus früheren Jahren , kletterte graziös an einem Seil in die Zirkuskuppel hinauf; nur mit einem glitzernden Fähnchen von Kostüm bekleidet und zu einer träumerischen Melodie, die Floortje Tränen in die Augen trieb, schlang sie abwechselnd Arme und Beine um das Tau und schwebte in der Luft wie ein eleganter Falter. Fräulein Janette und ihre außergewöhnlichen Reiterinnen donnerten in schmucken, mit wippenden Federn besetzten Kostümchen ohne Sattel auf zwanzig feurigen Arabern durch die Manege und turnten amazonengleich von Pferderücken zu Pferderücken. In hautengen Trikots errichtete The Nelson Family schwindelerregend hohe und komplizierte Pyramiden aus ihren Körpern und sprang und flog als atemberaubender Wirbel durch die Manege, bevor sie sich stolz unter dem Applaus des Publikums der Größe nach aufreihten wie die Orgelpfeifen, von Vater Nelson bis zum jüngsten Kind, das kaum mehr als ein Dreikäsehoch war. Ein Artist aus dem Wilden Westen schlug Salti über drei, fünf, sieben, schließlich acht nebeneinanderstehende Pferde, und William Gregory, König der Gymnasten , verrenkte seinen Rumpf, verknotete seine Glieder und wickelte sich um verschiedene Geräte, als hätte er keine Sehnen und Knochen, sondern Gummibänder im Leib. Der Taubenbetörer , ein feingliedriger junger Mann, der etwas von einem scheuen Einsiedler hatte, der die Sprache der Tiere verstand, ließ seine gefiederten Freunde durch Reifen schlüpfen, die Türchen eines Puppenhauses öffnen, durch die Zimmer tapsen und sich selbst ins Bettchen legen, am Schluss gar unter den Ohs und Ahs des Publikums durch das Zelt Formationen fliegen. Der waghalsige Drahtseilakt hoch unter dem Dach ließ das Publikum mit in den Nacken gelegten Köpfen den Atem anhalten, bevor die muskelbepackten Herren Hector & Faue mit ihren Schwüngen, Sprüngen und Salti am Trapez die Spannung noch steigerten und mit brandendem Applaus und begeisterten Zurufen belohnt wurden.
    Floortje staunte und lachte, sie jubelte und hielt bei jedem Trommelwirbel die Luft an; bei jedem Tusch zu Beginn und als Abschluss der einzelnen Nummern klatschte sie begeistert in die Hände und bemerkte nicht, dass Kian Gies Augen die ganze Zeit über nur auf ihr ruhten. Wie ein kleines Mädchen freute sie sich, als der Taubenbetörer zu ihnen an die Loge kam und eine der Tauben auf ihren ausgestreckten Arm wandern ließ, die ihr in ihrem Schnabel eine Rose hinhielt, und die kraftvolle Schönheit und Eleganz der Pferdenummer machte ihr Gänsehaut und feuchte Augen. Für ein paar Stunden hatte sie alles vergessen, die Scham und den Ekel, die Demütigungen; sogar in der Pause, während sie von ihrem Champagner trank und von dem grellbunten Zuckerzeug naschte, das Jian auf Geheiß seines Herrn ihr bei einem der mit Bauchläden durch die Manege ziehenden Spaßmacher gekauft hatte, redete sie ununterbrochen auf Kian Gie ein, um ihrer Begeisterung Luft zu machen. Mit leuchtenden Augen schwatzte und lachte sie wie mit einem Freund, fast wie mit dem Mann ihres Herzens, während er nur reglos mit übereinandergeschlagenen Beinen dasaß, eine brennende Zigarette in der Hand, und ihr schweigend zuhörte, einen unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht.
    »Ladies and Gentlemen!«
    Eine gespannte Stille breitete sich im Zirkuszelt aus, als sich die Direktorin in der Manege postierte. Die letzte Nummer stand auf dem Programm, der Höhepunkt des Abends. Anna Wilson breitete die

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