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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Arme aus und ließ ihre Blicke verheißungsvoll durch das Publikum schweifen.
    »Mesdames et Monsieurs! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist mir eine unglaubliche Freude und übergroße Ehre, Ihnen heute Abend einen der hellsten und glänzendsten Sterne in der Geschichte des Zirkus präsentieren zu dürfen. Auf der ganzen Welt war er schon zu Gast, und Staatspräsidenten und gekrönte Häupter wie der Zar von Russland zählen zu seinen Bewunderern.« Als ein Raunen durch die Menge ging, bekräftigte Anna Wilson ihre Worte mit einem stolzen Nicken. »Amerika hat ihn gefeiert. Europa hat ihn bejubelt. Und jetzt ist er hier bei Ihnen in Ostindien. Heißen Sie mit mir ganz herzlich willkommen – den Großen! Den Einzigartigen!« Abwechselnd nahm sie einen Unterarm nach dem anderen zu sich heran und warf ihn wieder energisch von sich. »Den Unvergleichlichen! Den Unbezwingbaren! Den Hünen aus Dänemark! Den König der Kanonenkugeln! Den stärksten Mann der Welt: Jooooohnn Holtuuum!«
    Ein Raunen wanderte durch die Ränge und Logen, vielfaches hingerissenes Aufstöhnen und Seufzen aus eindeutig weiblichen Kehlen, und das Zirkuszelt auf dem Koningsplein bebte unter dem tosenden Applaus und den euphorischen Jubelrufen, als das Publikum sich erhob, um den Artisten zu begrüßen, der unter den Klängen einer bombastischen Fanfare gemessenen Schrittes die Manege betrat und dann einfach nur dastand, während die Begeisterung der Menge auf ihn einprasselte.
    »John, du bist mein Held!«, schrie irgendwo eine Frau; und eine andere quiekte: »Heirate mich!« Und eine dritte keifte: »Nein, mich! Mich !«
    Wie ein Gladiator der Antike sah er aus, groß und breitschultrig, in römischen Sandalen und nur mit einer kurzen, feuerroten Hose bekleidet, die knapp unter seiner Leistengegend endete und so eng anlag, dass weibliche Phantasie und männlicher Neid reichlich Nahrung erhielten.
    »Joooohnnnn! Hier! Hier bin ich!«
    »Martha, setz dich bitte wieder hin!«, rief eine Männerstimme peinlich berührt dazwischen.
    Feuerrot war auch der Umhang, der an einer goldenen Kette um seine Schultern hing; rot wie die Handschuhe, die er trug, und sein kurzes Haar und der dichte Oberlippenbart schimmerten golden. Aus dem kantigen Gesicht stachen leuchtend blaue Augen hervor, die bis in die hintersten Ränge zu blicken schienen.
    »John, ich will ein Kind von dir!«
    John Holtum bestand nur aus Muskeln, die sich stramm bündelten und massiv an seinen Armen und Beinen vorwölbten; dicke Stränge von Muskeln zogen sich quer über seinen Torso, zeichneten die Brust und den harten Bauch nach, und das Licht in der Manege glänzte auf seiner eingeölten Haut.
    Langsam hob er die Hand und löste die Kette des Umhangs; eine Frau kreischte hysterisch auf, und eine Welle weiblicher Ekstase schwappte hörbar durch die Ränge, als die Stoffbahn zu Boden segelte und in das Sägemehl fiel.
    Sein Assistent, ein kräftiger, schnauzbärtiger Bursche, mit Augenbrauen wie Pfeifenreiniger, in einer dunkelblauen Kosakenuniform mit passender Kappe, schleppte in beiden Händen eine eiserne Kugel die Bande entlang und suchte nach einem Freiwilligen, der sie überprüfen sollte. Mehrere Männer hoben eilfertig die Hand; einer davon wurde nach vorne gewunken, streckte mit prahlerischem Grinsen die Hände danach aus und sackte sogleich zur Belustigung des gesamten Zelts unter dem Gewicht schnaufend in die Knie.
    Floortje konnte den Blick nicht von John Holtum lösen. Die Verzückung des weiblichen Publikums konnte sie nur zu gut nachvollziehen; auf eine rohe, ursprüngliche Art wirkte er wie der Inbegriff der Männlichkeit, ohne dabei etwas Aggressives oder gar Brutales an sich zu haben. Er war kein im eigentlichen Sinne schöner Mann, dafür waren seine Muskeln zu prägnant, seine Züge zu eckig, zu schroff, und dennoch war er nicht anders als gutaussehend zu bezeichnen.
    Trommelwirbel setzte ein, und augenblicklich breitete sich angespannte Stille im Zelt aus. Der Assistent schob einen Wagen heran, auf dem verschieden große Eisenkugeln lagen, die er nach und nach dem Artisten reichte, bis Holtum eine der Kugeln auf dem Fuß und je eine in der Handfläche balancierte. Danach beugte er seinen Rumpf vorwärts und ließ eine Kugel die Wirbelsäule hinabrollen, in die von dicken Muskelsträngen umgebene Höhlung seines Rückgrats hinein, bevor er langsam in die Hocke ging und sich mit den Händen aufstützte und das Gewicht auf eine Hand verlagerte, die Beine nach hinten

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