Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
aus, nachdem ein junges Mädchen auf ihrem Platz ohnmächtig zusammengesunken war.
»John! John! Joooohnnn!!«
Ein weißes Knäuel landete im Sägemehl, das einer rüschenbesetzten Unterhose verblüffend ähnelte, und schließlich flatterte von irgendwo her ein spitzenumsäumtes Taschentuch heran und blieb neben Holtum liegen. Er bückte sich, hob es auf und drückte es an seinen Mund.
Eine hinreißend zartfühlende Geste, die etwas Ritterliches und ungeheuer Romantisches hatte; ein Anblick, bei dem die weiblichen Zuschauer geschlossen seufzten; irgendwo in den Reihen schluchzten zwei oder drei sogar ergriffen auf.
Floortje stockte der Atem, als Holtums blaue Augen sich mit ihren trafen und ihren Blick festhielten. Mitten im Klatschen hielten ihre Hände von selbst inne, und ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Dann riss sie sich zusammen, senkte ihre Lider und vergrub die Hände im Schoß ihrer Abendrobe.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Holtum noch einmal in die Menge winkte und dann mit seinem Assistenten zum Vorhang lief, den ein junger Mann in Uniform für sie aufhielt.
»Hol-tum! Hol-tum! Hol-tum!«, skandierte das Publikum unter Beifall. »Zu-ga-be! Zu-ga-be!«
Floortje fuhr zusammen, als sich Kian Gies Hand auf ihr Knie legte. »Hat es dir gefallen?«
Sie nickte. »Ja, sehr. Danke!«
Er rieb über ihren Oberschenkel. »Hast es dir verdient.«
Unwillkürlich zog Floortje die Schultern hoch und kniff die Beine zusammen.
Und während unter schmissiger Musik und herzlichen Worten des Dankes und des Abschieds von Anna Wilson alle anderen Artisten des Abends noch einmal unter Applaus lachend und winkend eine Runde durch die Manege drehten, der Beifall danach langsam abebbte und auströpfelte, bis schließlich unter lautem Scharren und Stimmengewirr der große Aufbruch begann, wanderten Floortjes Augen immer wieder zu dem Vorhang, hinter dem John Holtum verschwunden war.
Kian Gies Arm um ihre Schultern und den Kopf zurückgelegt, schaute Floortje in den sternenbehangenen Nachthimmel hinauf, während die Barouche vom Koningsplein wieder in Richtung benedenstad rollte. Fast als Letzte fuhren sie in der ganzen Reihe von Wagen, die es zurück in die Stadt zog, um die Hochstimmung dieses Abends noch feierlaunig ausklingen zu lassen.
Ein Gefühl der Beklemmung hatte sich über Floortje gelegt und schmälerte die ausgelassene Freude, die sie im Zirkus empfunden hatte. Und obwohl ein großzügiger Rest dieser Freude noch immer in ihr wirbelte und tanzte, war sie von Traurigkeit durchzogen, von einer Art Sehnsucht nach etwas, das sie nicht benennen konnte, inzwischen vielleicht auch einfach vergessen hatte.
Ihr Kopf ruckte hoch, als die Barouche plötzlich von der Straße ausscherte und anhielt.
»Wir gehen noch etwas trinken«, erklärte Kian Gie.
Floortje starrte auf das parkähnliche Anwesen hinter dem zierlichen schmiedeeisernen Zaun. Auf die aneinandergebauten Bungalows unter tief herabgezogenen Schindeldächern unmittelbar an der Straße und auf die weiteren Gebäude um den großzügigen Innenhof, die hell erleuchtet waren und aus denen gedämpfte Musik, Stimmen und Gelächter auf die Straße drangen.
»Nicht hier«, widersprach sie tonlos. »Bitte. Nicht hier.«
Von allen Plätzen in Batavia wollte sie nicht an ausgerechnet diesen zurückkehren. Nicht ins Hotel Des Indes , in dem sie, noch hoffnungsfroh und stolz, gewohnt hatte. Nicht als die Hure, die sie heute war. Nicht mit dem Mann, der sie aushielt und ihr seine Gesellschaft aufzwang. Doch Kian Gie, der sie unsanft beim Arm nahm und aus dem Wagen zog, ließ ihre keine Wahl.
Die Kronleuchter an der Decke fluteten den Speisesaal, in dem Floortje früher gefrühstückt und zu Mittag gegessen hatte, mit dottergelbem Licht. Von den Tischen, die sich sonst hier aufreihten, waren fast alle entfernt worden; nur ein paar standen noch an die Wände gerückt und präsentierten auf silbernen Etageren kunstvoll arrangierte Häppchen, Champagnerkühler und Gläser, mit denen die Bediensteten die Herren in Anzügen bewirteten, die sich im überfüllten Raum drängten; dazwischen leuchteten die eleganten Roben und die funkelnden Juwelen einiger weniger Damen auf, und auch in der angrenzenden Bar herrschte großer Auftrieb.
In einer Nische spielten die Musiker eines ronzebons auf, und die schmeichelnden Melodien verwoben sich mit den Stimmen zu einem dichten Klangteppich von malaiischer Grundfarbe, der aber auch Einsprengsel in Holländisch, Englisch,
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