Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Und nicht zuletzt als Jans Freund.« Einer seiner Mundwinkel hob sich. »Ich bin nicht so feinsinnig wie Jan. Nicht so gebildet. Mir fehlt es an Manieren und oft an Beherrschung. Und ich bitte Sie um Verzeihung für die unangemessenen Worte und mein grobes Verhalten.« Gänzlich darin vertieft, seinen Sohn anzusehen und ihn zärtlich zu berühren, versank er in dumpfes Brüten.
Jacobina schwieg, während sie Ida an sich drückte und ihr über den Rücken streichelte. Es ehrte ihn, dass er sich bei ihr entschuldigte, aber es machte nicht ungeschehen, wie er sie bedrängt hatte.
»Das Einzige, was ich als Entschuldigung vorbringen kann«, fuhr er dann zögerlich fort, »sind die Gefühle, die ich in den letzten Monaten für Sie entwickelt habe. Gefühle, die mir nicht zustehen, aber gegen die ich nur sehr schwer ankomme.«
Ungläubig starrte Jacobina ihn an, und ihre Hand verharrte reglos auf Idas Rücken.
»Schämen Sie sich«, gab sie barsch zurück. »Sie haben eine wunderbare, schöne Frau, die Sie über alles liebt! So was sollten Sie nicht einmal denken, geschweige denn sagen. Noch dazu hier.« Sie nickte in Richtung Jeroens, der in seinem Fieberdämmer dalag. Vielleicht täuschte sie sich, aber sie glaubte zu sehen, dass sich die Züge des Jungen unter der Berührung seines Vaters ein wenig entspannt hatten.
Um den Mund des Majors zuckte es. »Wann hätte ich es Ihnen denn sonst sagen sollen? Sie ergreifen doch sofort die Flucht, sobald ich mich Ihnen auf ein paar Schritt nähere. – Was ich nur zu gut verstehe«, fügte er rasch hinzu, als Jacobina zu einer scharfen Erwiderung ansetzte. Seine Brauen zogen sich zusammen. »Ich weiß, dass ich kein guter Mensch bin, das müssen Sie mir nicht erst sagen, Fräulein van der Beek.«
Jacobina wurde rot und presste Ida fester an sich.
»Ich weiß, was ich an M’Greet habe, und ich möchte nicht ohne sie sein. Aber Sie sind auf eine Art stark und tüchtig, wie es meine Frau nie war. Sie sind klug und aufrichtig, Sie haben ein gutes Herz und sich immer noch eine gewisse Unschuld bewahrt. So was ist selten, vor allem hierzulande. Und es ist eine Freude zu sehen, wie Sie hier in Ostindien aufgeblüht sind. Sie sind zu einer attraktiven Frau geworden, Fräulein van der Beek.« Ein kleines, halb trauriges, halb bitteres Lächeln umspielte seinen Mund. »Ich beneide Jan darum, dass er das alles bekommt. Es ist falsch, das weiß ich wohl, aber ich kann nicht anders.«
Jacobina vergrub das Gesicht in Idas Haar. Die Worte des Majors hatten sie verwirrt; sie machten sie verlegen, und obwohl sie sich dagegen sträubte, fühlte sie sich auch ein bisschen geschmeichelt. Sein Geständnis rührte sie an, aber noch mehr bewegte sie die Zerrissenheit, die sie an ihm wahrnahm. Wie spürbar er unter den Dämonen litt, die in ihm tobten. Ihr kam es vor, als sei er mehr ein Kind dieser Insel denn ein Sohn der Niederlande, diesem flachen, von einem tüchtigen, strebsamen, aber auch nüchternen Menschenschlag geformten Land. Wie Java war er, eine Insel inmitten anderer Inseln, wild und unbezähmbar, geprägt von den Elementen und von dem unbeherrschbaren Feuer, das in ihrem Kern brodelte. Doch vor allem erschütterte sie die Verzweiflung, die ihn wie eine graue Wolke umgab.
»Meine Kinder sind mir das Kostbarste auf der Welt«, flüsterte er schließlich, und sein Blick ruhte mit banger Zärtlichkeit auf Jeroen. »Sollte der da oben«, seine Brauen zuckten himmelwärts, »mich für all meine Sünden strafen, indem er mir jetzt meinen Sohn nimmt, werde ich mir das nie verzeihen.«
37
Jacobina starrte in das Dunkel ihres Zimmers und lauschte in die Nacht hinaus. Der Dschungel reckte und regte sich unter Knistern, Schnarren und Pfeifen; in einlullender Gleichmäßigkeit rollten die Wellen über den Strand heran und zogen sich flüsternd wieder zurück.
Nach der vergangenen Woche hätte es allen Grund gegeben, endlich wieder ruhig und tief zu schlafen. Es schien tatsächlich nur ein leichtes Fieber gewesen zu sein; am nächsten Tag ging es Jeroen bereits bedeutend besser, und am übernächsten war er schon wieder munter und hatte Doktor Dekker, der trotzdem jeden Tag von Teluk Betung herüberkam, um nach ihm zu sehen, bestürmt, wieder aufstehen und in den Garten zu dürfen, was ihm der Arzt dann auch zu seiner großen Freude erlaubt hatte. Erleichterung hatte Jacobina jedes Mal aufs Neue durchströmt, wenn sie von ihrem Buch aufblickte und einige Herzschläge lang den Kindern
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