Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
soll.«
Jacobina hob den Kopf und starrte Jan aus nassen Augen entsetzt an. »Aber Doktor Dekker hat doch gesagt, es war Denguefieber!«
Jan zog die Unterlippe zwischen die Zähne und nickte. »Ich weiß. Trotzdem ist sie nicht davon abzubringen. Sie hat sowohl Vincent als auch mich übel beschimpft, weil wir auf ihr Flehen, ihr doch endlich Glauben zu schenken und etwas zu unternehmen, nicht eingehen.«
Jacobina schüttelte den Kopf. »Niemals würde Melati so etwas tun. Jeroen und Ida sind …« Sie schluckte und fuhr leiser fort. »Jeroen lag ihr doch so sehr am Herzen, genau wie Ida.«
»Ja. Wir alle wissen das«, hörte sie ihn flüstern. »Aber Griet hat das offenbar in ihrem Leid vergessen. Vincent sagt, dass sie schon in der ersten Nacht damit angefangen hat, Melati zu beschuldigen.« Zärtlich strich seine Hand über ihr Haar. »Du hast das alles gar nicht mitbekommen, oder?«
»Nein«, entgegnete sie schuldbewusst. »Ich habe zwar ihre Stimmen gehört und wie Frau de Jong geschrien und geweint hat, aber ich habe nicht genau verstanden, worum es ging. Mein Malaiisch ist einfach immer noch nicht so gut.«
»Das wird schon noch«, sagte Jan aufmunternd und streichelte ihre Wange. »Über die Zeit.«
Mit besorgter Miene sah Jacobina zu Jan auf. »Hat Melati denn etwas zu befürchten?«
Er zog die Mundwinkel nach unten und deutete ein Kopfschütteln an. »Wohl kaum. Es kommt immer wieder vor, dass bei einem Todesfall in der Familie das einheimische Personal verdächtigt wird, Gift oder guna-guna , Schwarze Magie, angewandt zu haben, ohne dass es dafür hinreichende Beweise gibt. Alles nur ein Hirngespinst. Eine Legende, die immer wieder umgeht, weil man den Menschen hier einfach nicht über den Weg traut.«
»Kein Wunder«, murmelte Jacobina in sich hinein, als sie an Ningsih und Endah dachte, an Melati und Jagat.
»Dem Herrn sei Dank, dass es der Kleinen wieder halbwegs gut geht«, raunte Jan.
Jacobina nickte. Ida war zwar noch matt und weinte viel, vor allem wenn sie gefüttert wurde, aber sie hatte wieder Farbe im Gesicht und schien auch sonst schnell wieder gesund zu werden. Der Schmerz fraß sich mit erneuter Schärfe durch Jacobina hindurch; erschöpft schloss sie die Augen und drückte das Gesicht fester an Jans Schulter. Auch ihr tat es gut, dass er hier war; Jans Nähe tröstete sie, und wenn er sie in seine Arme zog, fühlte sie sich beschützt vor allem Unbill.
»Sollen wir noch ein bisschen am Strand spazieren gehen?«, fragte er sanft. »Zwei Stunden hätten wir noch, bevor ich wieder fahre.«
»Kannst du nicht noch bleiben?«, flüsterte Jacobina gegen seine Hemdbrust. »Wenigstens einen Tag?«
Jan hauchte einen Kuss auf ihren Scheitel. »Leider nicht. Ich bin ja als Freund der Familie hier und nicht von der Gesellschaft aus. Ich war schon froh, dass mir van der Linden die drei Tage bewilligt hat.«
Jacobina starrte vor sich hin. Bei der Vorstellung, in ein paar Stunden wieder ohne Jan zu sein, allein mit ihrer Trauer, in einem Haus, in dem solches Leid Einzug gehalten hatte, schien der Boden unter ihren Füßen nachzugeben und sie in einen Sumpf der Traurigkeit hinabzuziehen. In einen Morast, der ihr Angst machte, eine ähnliche Angst, wie sie beim Anblick des Dschungels hinter dem Haus von ihr Besitz ergriff.
Ihr Kopf fuhr hoch, und sie sah Jan unverwandt an. »Nimm mich mit!« Fragend furchte er die Stirn, und Jacobina packte ihn am Revers. »Nimm mich mit, Jan! Ich will nicht länger hier sein!«
Er lächelte und streichelte ihr über die Wange. »Nichts würde ich lieber tun. Aber ich wäre froh, dich hier zu wissen, wenn ich schon nicht bleiben kann. Wenigstens noch ein paar Wochen. Vincent wird deine Hilfe hier sicher brauchen. Er überlegt, ob er Griet nicht bei Freunden in Batavia unterbringt, damit sie zur Ruhe kommen kann, vielleicht auch ein wenig abgelenkt wird. Es wäre gut, wenn du sie dann begleiten könntest. Und Ida wird sicher spätestens in ein paar Tagen anfangen, nach ihrem Bruder zu fragen. Dich jetzt auch gleich noch zu verlieren wäre schlimm für sie.«
Jacobina senkte den Blick und strich über die Kanten des Revers, während sie Jans Einwand überdachte. Er hatte Recht, vor allem was Ida betraf. Sie hatte Verantwortung für die Kinder übernommen, als sie die Stellung bei den de Jongs antrat, vielleicht auch ein bisschen für die anderen Mitglieder der Familie; eine Verantwortung, der sie sich nun nicht einfach entziehen konnte. Feige kam sie sich vor
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