Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
blutdurchsetzten Mageninhalts, der durch den Magensaft dunkel gefärbt ist. Ich hoffe, dass mir die Obduktion der heute Verstorbenen mehr Aufschluss geben kann.« Unsicher klang er, fast ein wenig verlegen.
Jacobinas Magen drehte sich um, und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie legte die Hand vor den Mund. »Aber wer tut denn so etwas?«, flüsterte sie dahinter hervor und sah zu den de Jongs, die ihren Blick jedoch nicht erwiderten.
Aus der Innentasche seines Jacketts holte Herr Beyerinck einen kleinen Notizblock und einen Bleistift hervor. Er besah sich die obersten Blätter des Blocks, die von Zeilen in einer kleinen, eilig wirkenden Handschrift bedeckt waren. »Wie lange sind Sie jetzt bei Herrn und Frau de Jong angestellt, Fräulein van der Beek?«
»Etwas über ein Jahr«, antwortete Jacobina. »Fast fünfzehn Monate.«
»Und in der ganzen Zeit gab es keinerlei Missstimmigkeiten?«
Unwillkürlich huschten Jacobinas Augen zum Major. »Nein.«
»Unsere Kinder haben wir ihr anvertraut«, schluchzte Margaretha de Jong auf. »Unsere Kinder!« Sie presste das Taschentuch vor die Augen, und der Major strich ihr tröstend über die Schulter.
»Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur heute verstorbenen …« Raschelnd blätterte er sich durch den Notizblock.
»Melati«, sagte Jacobina tonlos. »Sie heißt Melati.«
»… ihr Verhältnis zu Melati beschreiben?«
Jacobina zögerte. »Gut. Ja, gut. Wir standen uns nicht sehr nahe, wechselten nur ab und zu ein paar Worte, hauptsächlich, wenn es um die Kinder ging. Aber ich mochte sie. Und ich glaube – ich glaube, sie mochte mich auch.« Ihre Stimme war bei den letzten Worten immer leiser geworden, und verstohlen wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Beyerinck räusperte sich. »Verzeihen Sie die Frage, Fräulein van der Beek … Aber trifft es zu, dass Sie … nun … eine gewisse Art von intimer Beziehung zu Herrn de Jong pflegen?«
Jacobina starrte ihn an, dann schoss ihr das Blut ins Gesicht. »Nein! Keineswegs!«
Er sah sie kurz über seinen Notizblock hinweg an und blätterte weiter darin herum. »Dennoch wurden Sie wenigstens zwei Mal mit Herrn de Jong in doch recht eindeutigen Situationen gesehen. Nach Angaben des Personals vor wenigen Wochen und gestern erst«, er nickte zu den de Jongs hin, »von Frau de Jong selbst.«
Jacobina senkte den glutroten Kopf und knetete ihre Hände im Schoß. »Der Herr Major … er … er hat mir nachgestellt«, würgte sie hervor. Wie eine Hochstaplerin kam sie sich vor, als sie das sagte; sie, Jacobina van der Beek, die zu Hause in den Niederlanden keinen Ehemann um ihrer selbst willen abbekommen hatte, weil sie so reizlos war, und den prüfenden Blick, mit dem Beyerinck sie bedachte, fasste sie so auf, dass er ganz ähnlich über sie dachte.
»Und warum haben Sie Frau de Jong darüber nicht in Kenntnis gesetzt?«
»Weil ich ihr Kummer ersparen wollte«, flüsterte Jacobina kaum noch hörbar und fuhr angespannt mit den Händen über ihren Sarong; ihre Handflächen waren nass vor Angst. Und weil ich mich geschämt habe. Für die Empfindungen, die mein Körper gegen meinen Willen dabei hatte.
»Kann es sein«, ergriff er behutsam wieder das Wort, »dass Sie Herrn de Jong dazu ermuntert haben?«
Jacobinas Kopf ruckte hoch, und sie sah ihn entgeistert an.
»Immerhin haben Sie doch sehr viel Zeit mit ihm verbracht. Sie sollen häufig zusammen schwimmen gewesen sein und sich auch sonst gut verstanden haben. Vielleicht haben Sie sein Entgegenkommen falsch aufgefasst und sich daraufhin Hoffnungen gemacht?«
»Nein«, erwiderte Jacobina erschüttert. »Ganz sicher nicht! – Ich habe vor, im kommenden Jahr zu heiraten, einen Freund der Familie«, setzte sie hastig hinzu, als könnte ihr das in den Augen Beyerincks zu mehr Ehrbarkeit verhelfen.
»Mhm«, machte Herr Beyerinck mit einem Seitenblick auf die de Jongs. »Haben Sie sich vielleicht Hoffnungen gemacht, denen eine Familie im Weg gestanden wäre? Oder Hoffnungen, in denen Sie sich später getäuscht sahen und die Grund genug für Gefühle der Rachsucht böten?«
»Womöglich wäre ich die Nächste gewesen«, wisperte Frau de Jong heiser, und Tränen rannen aus ihren Augen.
Ein Abgrund schien sich vor Jacobina aufzutun und sie verschlingen zu wollen. »Nein«, raunte sie mit der Andeutung eines Kopfschüttelns. »Nein. Ich habe niemandem etwas getan, und ich habe auch niemandem je etwas antun wollen. Dazu habe ich keinen Grund. So ein Mensch bin ich
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