Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
nicht.«
»Sehen Sie«, entgegnete Beyerinck mit einem Seufzen, »so glaubhaft Sie mir das auch versichern, so lassen sich doch gewisse Tatsachen nicht leugnen. Zeugen, die gesehen haben, dass Sie und Herr de Jong wohl doch ein wenig mehr verband als ein reines Dienstverhältnis. Die Erkrankung der Kinder, die eines davon das Leben kostete …« Frau de Jong gab einen Klagelaut von sich. »Der Tod einer Bediensteten. Todesfälle, die sich unter Umständen mit dem Vorhandensein des Quecksilberbichlorids im Haus in Zusammenhang bringen lassen. Und zufällig beschließen sie, just bevor letzterer Todesfall eintritt, zu kündigen und das Haus zu verlassen. Offenbar kurz entschlossen und in aller Eile.«
Jacobina fühlte sich wie aus Stein. Sie konnte nur unentwegt den Kopf schütteln, während ihr Tränen aus den Augen stürzten. »Ich habe nichts verbrochen. Ich habe mit dem Tod Jeroens und Melatis nichts zu tun. Bitte, Herr Beyerinck, das müssen Sie mir glauben!« Hilfesuchend sah sie die de Jongs an. »Herr Major! Frau de Jong!«
Schweigend rieb der Major die Schulter seiner Frau, die daraufhin seine Hand umfasste, und keiner von beiden warf Jacobina auch nur einen Blick zu.
»Wir werden der Sache nachgehen müssen«, sagte Herr Beyerinck und verstaute den Notizblock wieder in seinem Jackett. Als der Major zu einem Einwurf ansetzte, fügte er nickend hinzu: »Natürlich einstweilen mit der notwendigen Vertraulichkeit. Ich muss Sie dennoch bitten, mich zu begleiten, Fräulein van der Beek.« Durch einen Tränenschleier hindurch sah Jacobina, wie er aufstand und die Hand nach ihr ausstreckte und leise, fast sanft hinzufügte: »Tun Sie mir und sich selbst einen Gefallen und leisten Sie keinen Widerstand.«
Wie betäubt und mit fahrigen Bewegungen packte Jacobina in Gegenwart des Soldaten ihre kleine Reisetasche zum Teil wieder aus, suchte aus ihren Koffern das Nötigste für ein paar Tage heraus und verstaute es in der Tasche, bevor sie mit Herrn Beyerinck in den Wagen stieg.
Zu grünen Schlieren verschwamm der Dschungel vor ihren Augen, während sie in Richtung Ketimbang fuhren, und in dem Gefühl, sich in einem bösen Traum zu befinden, aus dem sie einfach nicht erwachen konnte, verspürte sie nicht einmal die Beklommenheit, die die Strecke durch den Urwald sonst in ihr auslöste. Nur das Keckern, Pfeifen und Rascheln in den Baumkronen und im wuchernden Unterholz dröhnte überlaut in ihren Ohren wie ein Chor aus Dämonen, die sie verhöhnten.
Benommen starrte sie auf die Holzhütten von Ketimbang auf ihren Stelzen, zwischen denen sich Hühner tummelten und Holzscheite lagerten. Auf die schlichteren Häuser unter ihrem Dach aus getrockneten Palmblättern und die vornehmeren, deren Treppenaufgänge von einem kunstfertig geschnitzten und bunt bemalten Geländer eingerahmt wurden und unter deren Ziegeldächern hübsch gestaltete Fensterläden und Türblätter hervorlugten. Kräftige Palmen wuchsen zwischen den Häusern in die Höhe, und ausladende Bananenstauden spendeten Schatten, in dem nackte Kleinkinder spielten, während ihre Mütter beisammenhockten und schon das Gemüse für das Abendessen vorbereiteten. Andere Frauen trugen einen Flechtkorb auf dem hoch erhobenen Haupt, und ihre langärmligen Blusen und ihre Wickelröcke, ein kürzerer über einem knöchellangen, leuchteten in Bambusgrün, Cannarot, Orchideenviolett und Bananengelb, und Handwerker sägten und hämmerten an halb fertigen Booten und Häusern herum.
Der Wagen fuhr ein Stück bergan, und inmitten einheimischer Häuser, die sich dahinter weiter die Steigung hinauf aneinanderdrängten und sich zwischen Reisfeldern und Urwald an den Ausläufern des Rajabasa verloren, kam ein weißes Steinhaus in Sicht, eine in der Meeresbrise flatternde niederländische Trikolore auf dem First des tief herabgezogenen Dachs und umgeben von einer Handvoll kleinerer Wirtschaftsgebäude; Palmen wiegten sich in der Brise, und ein schmaler Pfad führte zu einer mit Sträuchern und Bäumen bepflanzten Anhöhe hinauf, auf der ein größeres zweistöckiges Steinhaus mit Veranda auf den Strand hinausging.
Begleitet von Beyerinck und dem Soldaten stieg Jacobina aus, und ihr kam es so vor, als ob die einheimischen Männer, die auf dem Hof der umstehenden Wirtschaftsgebäude müßig herumsaßen oder Holzlatten zusammennagelten und dabei herüberschauten, ihr ansahen, dass sie unter Mordverdacht stand.
Beyerinck führte sie ins Haus, vorbei an einem Raum mit offen
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