Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
hernieder, und eine Holzbohle nach der anderen schnellte klappernd unter Jacobina hoch. Fauchend stieß glühend heißer Atem zwischen den Ritzen im Holz hervor; ein Atem, der mit der Wucht eines Wirbelsturms auch über sie hinwegfegte. Der ihr die Luft aus den Lungen saugte und ihr Haut und Haar versengte.
Luft. Ich bekomme keine Luft , dachte sie noch. Ida. Floortje. Ida. Bitte.
Dann gab es nichts mehr.
Nur noch schwarze Stille.
49
Ein hoher, dünner Laut war das Erste, das wieder in Jacobinas Bewusstsein drang. Ein Laut, der abebbte und wieder einsetzte und klang wie das Maunzen eines Kätzchens. Jacobinas Lider zuckten, öffneten sich dann, aber sie konnte nichts sehen, es war zu dunkel. Sie bewegte sachte ihren Kopf, in dem es schmerzhaft pulsierte und dröhnte, und ihre Lungen zogen sich krampfhaft zusammen, als sie glaubte, keine Luft zu bekommen. Bis sie merkte, dass es die Last war, die auf ihr lag, die ihr dieses Gefühl der Enge vermittelte. Ida. Floortje .
Mühselig zog sie einen Ellenbogen unter sich, schob sich darauf ein Stückweit hoch und benutzte den anderen Ellenbogen als Hebel gegen die übermächtig scheinende Bürde. Der Schweiß brach ihr aus, sie keuchte und ächzte, während sie versuchte, einen günstigen Winkel zu finden, um das Gewicht von sich zu wälzen. Erleichtert krächzte sie auf, als die Masse von ihr abfiel und polternd irgendwo neben ihr aufkam. Mit fahrigen Bewegungen riss und zerrte sie an dem Stoff, den sie auf ihrer Haut spürte und unter dem sich die Hitze ihres Körpers, ihres Atems erstickend fing, und bekam sich frei. Sie atmete auf und bekam einen Hustenanfall; die Luft war heiß und staubig und roch verqualmt und schweflig. Und es war finster.
Das Maunzen hob wieder an, und blind tastete Jacobina umher, bekam ein nacktes Kinderbein zu fassen, dann ein Bäuchlein, das sich ruckartig hob und senkte.
»Ida«, wisperte sie aus rauer Kehle. »Ida, Mäuschen. Geht’s dir gut?«
Sie tastete weiter und hob das Kind auf, drückte es an sich, spürte erleichtert, dass es atmete, fuhr mit zitternden Fingern über Arme, Beine und Rücken des Mädchens. Ein paar Mal berührte sie dabei nasse, wunde Stellen in der Haut, die Ida aufjammern ließen; sonst schien sie unverletzt.
»Gott sei Dank«, schluchzte Jacobina auf und wiegte Ida hin und her, drückte ihr Küsse auf das kleine Gesicht. »Danke, lieber Gott, danke!«
Sie griff zu dem Leintuch, das sie vorhin von sich abgeworfen hatte, raffte es auf dem Boden zusammen und bettete Ida darauf, bevor sie sich weiter über den Boden tastete, der von einer dicken, pulvrigen Schicht bedeckt war. Ihre Finger erkannten einen Arm und wanderten weiter, dann schrie Jacobina heiser auf. Stoff hatte sie gespürt, zerrissen und an den Kanten hart, wie verkohlt, darunter Hautfetzen und rohes Fleisch. Zitternd setzte sie die Finger weiter oben an und fühlte einen runden Schädel, bis auf eine Spur von Haarstoppeln kahlrasiert und dazwischen offene Stellen. Es würgte sie im Hals; und hastig wischte sie sich die Finger an ihrem Sarong ab. Sie biss die Zähne zusammen und packte dort an, wo sie die Schultern vermutete, stellte sich halb hin und zog und zerrte, bis der Körper schwer beiseiterollte. Sie stürzte sich auf das Tuch darunter und riss und rupfte unnachgiebig daran, bis sie Haut und Haar spürte, zog das Tuch ganz beiseite und drehte Floortje um.
»Floortje!«, rief sie unaufhörlich. »Floortje!« Schluchzend rieb sie über den schlaffen Leib und klopfte ihr mit der flachen Hand auf die Wangen. »Floortje!«
Ein Ruck ging durch Floortje hindurch; rasselnd sog sie die Luft ein und hustete, würgte, keuchte.
»Ja … bina«, stöhnte sie.
Jacobina konnte nicht antworten; sie wurde von Schluchzern durchgeschüttelt, auch dann noch, als Floortje sich aufrappelte und halb aufsetzte und ihr kraftlos um den Hals fiel.
»Ist es vorbei?«, murmelte Floortje neben ihrem Ohr.
»Ich weiß es nicht«, raspelte Jacobina mit ausgedörrter Kehle.
Gegenseitig halfen sie sich auf die Beine, fahrig und wackelig wie Greisinnen, und nur mit Floortjes Hilfe gelang es Jacobina, sich Ida auf die Hüfte zu setzen. Zusammen tasteten sie sich zur Tür und schoben sie Stück um Stück auf; mehrmals mussten sie mit den Füßen den pulvrigen Belag auf dem Boden wegscharren, bis sie die Tür so weit aufbekamen, dass sie sich hindurchzwängen konnten.
Auch im vorderen Raum war es finster, und sie mussten sich auf ihren Tastsinn verlassen. Totenstill
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