Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Heiraten zu finden, ein Plan, mit dem sie Schiffbruch erlitten und der böse Folgen für sie gehabt hatte. John Holtum hatte Recht, es fiel ihr schwer, ihm zu vertrauen, und sie fürchtete tatsächlich, noch einmal jemandem so ausgeliefert zu sein wie Kian Gie. Aber wenn sie nicht mit ihm verheiratet war und ihr eigenes Geld verdiente, könnte sie ohne Weiteres jederzeit gehen, wenn ihr danach war; eine Aussicht, die sie durchaus beruhigend fand.
»Ja«, erwiderte sie schließlich mit einem kleinen Lächeln. »Damit kann ich leben.«
Auch auf seinem kantigen Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. »Du musst dich nicht heute entscheiden. Du kannst auch nachkommen, in ein paar Tagen oder später.«
Die Wärme in Floortjes Bauch dehnte sich weiter aus. »Ich muss auf jeden Fall erst mit Jacobina sprechen«, flüsterte sie. Erst dann merkte sie, dass sie die ganze Zeit über seine verstümmelte Hand gestreichelt hatte, und sie musste über sich selbst lächeln. Vorsichtig hob sie seine Hand an ihr Gesicht und tupfte kleine Küsse auf die einzelnen Finger und auch in die Lücke dazwischen, bevor sie sie an ihr Gesicht legte und die Wange hineinschmiegte. Es fühlte sich gut an, nach etwas, das sie früher in ihrem Leben kaum kennengelernt und erst bei Jacobina erfahren hatte, von dem sie aber trotzdem wusste, wie es hieß: Geborgenheit.
»Die Liste, wann wir wo sein werden, hast du, ja?«, schluchzte Floortje gegen Jacobinas Hals. »Und Johns Adresse in England hast du auch?«
»Ja, hab ich«, erwiderte Jacobina mit belegter Stimme und drückte Floortje mit einem Arm fest an sich, während sie Ida bei der anderen Hand hielt. Es tat weh, Floortje schon so bald wieder gehen lassen zu müssen, aber John Holtum schien ein guter Mann zu sein, dem viel an Floortje lag. Jedes Mal, wenn Jacobina daran dachte, was Floortje alles durchlitten hatte, wurde ihr das Herz schwer; Floortje verdiente es, endlich glücklich zu sein.
»Ich schreib dir von überall eine Karte, versprochen!«, schniefte Floortje. »Und du kannst jederzeit zu uns kommen, John kann dir auch bestimmt helfen, Arbeit zu finden.«
»Mach ich«, raunte Jacobina, und Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie ihre Freundin noch enger an sich presste. »Pass auf dich auf, Floortje.«
»Du auch auf dich!« Nur widerstrebend löste Floortje sich von ihr und streichelte Ida zärtlich über den Kopf. »Mach’s gut, kleine Maus.« Sie schenkte Jacobina noch ein zittriges Lächeln, dann half ihr der Bedienstete des Hotels in den Wagen, in dem John Holtum bereits wartete.
»Auf Wiedersehen«, rief Floortje, als der Kutscher mit den Zügeln schnalzte, die Pferdchen antrabten und der Wagen sich ruckelnd in Bewegung setzte. Sie beugte sich halb heraus und winkte Jacobina zu. »Auf Wiedersehen!«
Jacobina brachte keinen Ton heraus, sie konnte Floortje einfach nur hinterherwinken, bis sie den Wagen nicht mehr sah. Schwer atmend stand sie noch eine Weile da, dann wischte sie sich mit dem Ärmel ihres hellen Sommerkleids über das nasse Gesicht und ging in die Knie, um Ida auf ihre Hüfte zu setzen.
»Jetzt sind wir beide ganz alleine«, murmelte sie und schaukelte Ida leicht. »Was machen wir jetzt, bis dein Großvater von sich hören lässt?« Ida sah sie nur aus ihren großen blauen Augen an. »Ich hab mir überlegt, wir könnten vielleicht deinen Bruder Jagat suchen. Was meinst du?« Das kleine Mädchen blinzelte und drückte dann das Köpfchen in Jacobinas Halsbeuge, die noch nass war von Floortjes Tränen.
52
»Morgen fahren wir mit der Kutsche«, erzählte Jacobina Ida, die auf dem Bett saß, ihre Puppe an sich klammerte und ihr mit großen Augen zusah, während sie im Zimmer auf und ab ging und ihre wenigen Habseligkeiten in den neu gekauften Koffer packte. Auch neue Kleidung für Ida und sich hatte Jacobina angeschafft; sie hoffte, Mäntelchen und Mützchen für Ida und die Jacke für sie selbst würden warm genug sein für den November in Amsterdam, aber dickere Kleidung hatte sie nicht bekommen. »Bis in den Hafen fahren wir, und dann steigen wir auf ein großes Schiff und fahren über das Meer!« Sie hatte sich angewöhnt, so viel wie möglich mit Ida zu reden, einerseits, um das kleine Mädchen darüber vielleicht auch wieder zum Sprechen zu bewegen, aber auch, weil ihr die Gespräche mit Floortje fehlten.
Jacobina trat an den Schreibtisch und nahm die Postkarten zur Hand, die sie inzwischen von Floortje bekommen hatte, zwei aus Singapur und eine aus
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