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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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sich ein Kanal entlang, gut sichtbar zwischen den nach allen Seiten offenen Schuppen, unter deren Dächern Baumstämme lagerten, Kisten und Fässer und die Skelette halb fertiger Holzboote, an denen einheimische Männer herumwerkelten. Manchmal klebte zur Wasserseite hin ein kleiner Verschlag davor, ab und zu waren Bambusjalousien zwischen den Pfosten herabgelassen, und wie ein Spiegelbild drängten sich auch auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals Schuppen von gleicher Bauart aneinander.
    »Das ist der Kali Besar«, erklärte Jan Molenaar. »Das bedeutet großer oder auch langer Fluss und meint den Ciliwung, der für diesen Kanal begradigt wurde. Hier hat früher das Herz des alten Batavia geschlagen.«
    Den rechten Straßenrand nahmen Häuserzeilen ein, deren oberes Stockwerk holzverschalt war und auf Säulen ruhte. Das dahinter zurückgesetzte untere Geschoss sah stets nach Geschäftsräumen aus, und über oder neben den Eingangstüren waren Plaketten mit Namenszügen auf Holländisch, Deutsch oder Englisch angebracht und gelegentlich ein farbenprächtiges Wappen. Der rötliche Farbton der staubigen, schmalen Straße wiederholte sich in den Ziegelsteinen, mit denen man vor den Häusern schmale Trottoirs angelegt hatte, und ein ganz ähnliches Rot fand sich an den Hausfassaden, oft zu Lachsrosa, Apricot oder einem pastelligen Melonengelb abgetönt, während andere Häuser so hell waren wie Flachs oder wie Sand. Vereinzelt sah Jacobina sogar grünes Mauerwerk, und neben den struppigen Tamarinden breiteten Bäume großzügig ihre leuchtend gelben, karminroten und olivdunklen Laubdächer aus.
    Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie über der Markise eines Geschäfts »Boekhandel«, Buchhandlung , las. Sie wechselte einen schnellen Blick mit Jan.
    »Die Einzige weit und breit«, sagte er, »und Kolff und Co. verdienen sicher mehr mit ihren Schreibwaren und Bureauartikeln als mit Büchern.«
    Jacobina lachte leise und sah den sonnengebräunten europäischen Herren in ihren hellen Anzügen hinterher, von denen manche einen Tropenhelm trugen; den einheimischen Männern, die zu ihrem langärmligen Hemd über weiten Hosen einen prächtig gemusterten Wickelrock und einen passenden Turban trugen. Vor und hinter ihnen waren zahlreiche andere Ponywagen unterschiedlichster Bauart unterwegs oder kamen ihnen auf der Straße entgegen, und drahtige Männer in kurzen Wickelröcken und losen Hemden, ein Tuch um den Kopf geschlungen und einen Sack oder eine Kiste geschultert, rannten zwischen den Wagen hindurch von einer Straßenseite zur anderen.
    »Hier geht es nur bei Tag, zwischen neun und fünf, so betriebsam zu«, ließ sich Jan vernehmen. »Das ist ein reines Geschäftsviertel. Sobald es Abend wird, zieht es alle«, er machte eine Geste auf die belebte Straße hinaus, »nach Hause. Die Holländer, Engländer und Deutschen in ihre Wohnviertel im Süden, die Einheimischen in ihre Kampongs. Mit Einbruch der Dunkelheit wird diese Gegend zur Geisterstadt.« Sein Mund verzog sich, halb amüsiert, halb ironisch. »Was Sie normalerweise von Batavia zu Gesicht bekommen, ist eine reine Fassade, nichts als Geschäftshäuser oder aber gepflegter kolonialer Lebensstil. Alles, was nicht europäisch ist, wird an den Rand gedrängt und aus dem Sichtfeld verbannt.« Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Fast wie damals, als die Ostindische Kompanie Batavia als eine Festung gegen die Javanesen erbauen ließ. Die Mauern des alten Forts sind zwar längst abgerissen, aber geändert hat sich dadurch nichts.«
    Budiarto ließ den Wagen nach links einschwenken und über eine hölzerne Zugbrücke rollen, die Jacobina an die Gemälde alter niederländischer Meister erinnerte. Sie neigte sich weit zu Jan herüber, um den Kanal entlang zu blicken, der von einer Reihe aufeinanderfolgender Brücken überspannt wurde. Unzählige Boote schwammen auf dem Wasser, deren Segel aussahen wie Federkiele, und im Kanal selbst tollten unter Gekreisch nackte braune Kinder umher, badeten Männer mit bloßem Oberkörper und Frauen, die sich bis über die Brust in Sarongs gewickelt hatten. Wieder andere Frauen standen mit geschürzten Wickelröcken im Wasser und wuschen Wäsche, die sie danach zum Trocknen über Holzgestelle hängten, von denen einige auf den ins Wasser führenden Stufen standen, die anderen oben auf der Kanalmauer.
    Jacobina lehnte sich wieder im Sitz zurück. »Woher kennen Sie sich so gut in Batavia aus?«
    »Ich habe meine ersten

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