Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
eigenen Füße, weil sie den Kontrast zwischen dem Chinesen in seinem grauen Anzug nach westlicher Manier und dem Zopf, der unter seinem Bowlerhut hervorschaute, so faszinierend fand, dass sie ihren Blick nicht davon lösen konnte.
An jedem der schmalen Häuser ragte über dem unteren Stockwerk ein geschweiftes Vordach auf die Straße hinaus, und auf den einfachen Holztischen, die in dessen Schatten gerückt waren, wurden Waren feilgeboten. Jacobina sah Stapel der kegelförmigen Strohhüte und mit kontrastfarbigen oder metallglänzenden Fäden bestickte Käppchen in Rot, Schwarz, Blau und Weiß; dahinter reihten sich bemalte Götterstatuen, dickbäuchige Buddhas und lackierte Kästchen und Figürchen aus Jade auf. Einen Laden weiter konnte Jacobina zuschauen, wie ein Chinese in Windeseile Stoffbahnen mit einem farbgetränkten Stempel bedruckte, die er dann auf einem Holzgestell zum Trocknen ausbreitete, und so die Sarongs in Fuchsia, Scharlachrot, Pfauenblau, Quittengelb und Türkis herstellte, die sich auf den Regalbrettern des Ladens stapelten. Das schmale Mauerstück, das die einzelnen Häuser verband, war ab und an mit goldenen Schriftzeichen verziert, und von einigen Vordächern hingen rote Papierlampions mit goldenen Troddeln herab.
Das Innere eines Ladens ein paar Schritte weiter war mit Vorratsdosen vollgestopft, die ebenfalls chinesische Schriftzeichen trugen; von der Decke hingen in dicken Büscheln getrocknete Kräuter herab, die einen staubig-süßen, scharfen und heuähnlichen Geruch verströmten, und vor dem Eingang lagen in Körben bizarr geformte Wurzeln, großporige Klumpen in der Farbe von Auberginen, getrocknete Beeren in Karminrot und Blauschwarz und etwas, das einfach nur geborstenen Holzsplittern ähnelte.
Eine verhutzelte alte Frau rief mit ihrem fast zahnlosen Mund quäkend klingende Worte, ohne auch nur von der flachen Metallschüssel aufzusehen, in der sie über dem Feuer Gemüse, schleimig aussehende Pilze und Fleisch in zischendem Öl anbrutzelte; eine Dampfwolke stieg daraus auf, quoll über die Straße und verbreitete einen süßlichen, ein wenig angekokelten Geruch. Ein paar Schritte weiter schaukelten an einem Balken über dem Eingang am Hals aufgeknüpfte nackte Hühner, und an dem Tisch darunter hackte ein stämmiger Chinese gerade eines davon mit einem kleinen Beil in Stücke.
»Haben Sie vielleicht Hunger?« Mit fragendem Blick deutete Jan Molenaar auf den Tisch vor dem übernächsten Haus, auf dem Früchte verlockend leuchteten.
Jacobinas Magen zog sich knurrend zusammen, und sie nickte. Für ein Frühstück war keine Zeit mehr geblieben, aber in ihrer Aufregung heute Morgen hätte sie ohnehin keinen Bissen hinunterbekommen.
»Ist es Ihnen recht, wenn ich etwas aussuche?«, fragte Jan über seine Schulter hinweg, während er auf den Laden zuging. »Oder gibt es etwas, das Sie gar nicht mögen?«
»Bis jetzt noch nicht«, gab Jacobina zurück, und Jan lachte.
Sie trat neben ihn und sah ihn erstaunt an, als er den alten Mann hinter dem Ladentisch mit kurzen, abgehackt klingenden Lauten begrüßte, die dieser vergnügt mit ähnlichen Lauten beantwortete. »Sie sprechen Chinesisch?«
»Das wäre zu viel gesagt«, erwidert Jan lachend. »Ich kann mich mit dem Nötigsten verständlich machen. – Wir haben in unserer Gemeinde viele Chinesen, und inzwischen sind auch für die Gesellschaft einige tätig, da habe ich über die Zeit ein paar Brocken Hokkien aufgeschnappt.«
Jacobina nickte verstehend und besah sich die ausgelegten und aufgestapelten Früchte. Die kleinen Ananas und die verschiedenen Bananensorten kannte sie, ebenso Mangos und Papayas und die scharlachroten Äpfel, die in Form und Geschmack an eine Birne erinnerten. Auch die Pomelo mit ihrer dicken gelbgrünen Schale hatte sie schon probiert und die säuerliche Carambola, die Scheiben in hübscher Sternform ergab, wenn man sie quer aufschnitt. Im Haus de Jong gab es oft Mangostanen, die in ihrem harten, purpurn und erbsengrün gemaserten Panzer einen wohlschmeckenden, weichen und weißen Kern verbargen, und Jacobina kannte auch die zinnoberroten, haarigen Bällchen der Rambutan.
»Was ist das hier?«, wollte sie von Jan wissen, der dem Händler gerade ein paar Kupfermünzen reichte, und zeigte auf die kopfgroßen, runden bis ovalen Früchte mit gelber Schale, die von kräftigen Stacheln übersät war.
Jan grinste. »Das ist eine Durian – auch Stinkfrucht oder Käsefrucht genannt.« Er machte eine abwehrende
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