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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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drei Jahre auf Java hier verbracht.« Er warf Jacobina einen belustigten Seitenblick zu. »Sozusagen als Missionar in Ausbildung, ich musste ja erst Malaiisch und Javanesisch büffeln und ein bisschen was über das Land und seine Bewohner lernen. In der Zeit habe ich auch Vincent und Griet kennengelernt. Ich meine«, er lachte, »wer kann auch in Batavia leben und nicht die de Jongs kennenlernen!« Einige Augenblicke sann er seinen eigenen Worten nach. »Wir sind etwa zur selben Zeit hier angekommen, Vincent und Griet ein paar Monate vor mir, und die beiden wurden sofort zum alles überstrahlenden Glanzpunkt der Stadt. Vincent, den man hier noch in lebhafter Erinnerung hatte, weil er früher immer wieder mit seinen Vorgesetzten aneinandergeriet, seinem Ruf als rauflustiger Trunkenbold alle Ehre machte und nie länger als ein paar Monate im selben Regiment blieb. Aber auch der tapfere Recke, der mit einer Medaille für Atjeh und dem Willemskreuz ausgezeichnet worden war. Mehr tot als lebendig haben sie ihn damals aus dem Dschungel von Atjeh geschleppt und zum Sterben nach Hause geschickt. Keine zwei Jahre später war er zurück, gesund und munter, frisch verheiratet und gezähmt von der bezaubernden Griet.« Er nahm die Hand von der Lehne und verschränkte die Arme vor der Brust. »Auf ein solches Paar hatte die feine Gesellschaft von Batavia nur gewartet. Vor allem auf eine Frau wie Griet. So schön, warmherzig und lebenslustig, mit Charme und Eleganz. Mit offenen Armen haben sie sie empfangen, und bis heute gibt sie den Ton an mit dem, was sie sagt, tut und trägt.«
    Die Art, wie er über Frau de Jong sprach, bewundernd und mit zärtlichem Unterton, während er mit abwesendem Blick auf die vorbeizuckelnden Häuser hinaussah, versetzte Jacobina einen Stich, und sie senkte den Kopf.
    »Würden«, sie schluckte und rieb mit dem Finger über eine Naht im Lederpolster, »würden Sie gerne wieder hier leben – hier in Batavia?«
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er den Kopf schüttelte. »Nein. Auf keinen Fall. Das ist eine Welt für sich, die mit dem Rest von Java rein gar nichts zu tun hat. Mir ist Batavia zu groß und zu unruhig, und mir regiert hier zu sehr das Geld. Und ich mag es nicht, dass wir Niederländer uns hier eine blütenweiße, säulenumstandene Insel der Seligen errichtet haben, vor der das bunte Gemenge aus Chinesen, Malaien, Sundanesen, Javanesen und was weiß ich noch alles zurückweichen muss. Ich komme immer wieder gerne für einige Zeit her, um Vincent und Griet und die Kinder zu sehen, und ich würde …« Mit einem tiefen Ausatmen zog er die Knie heran, legte die Unterarme darauf und knetete seine Hände. »Ich möchte kein solches Leben führen wie Vincent und Griet. Das ist wahrhaftig nicht meine Welt, da gefällt es mir in Buitenzorg bedeutend besser. Wenn es dort auch manchmal ein wenig … einsam ist.« Er deutete nach vorne. »Wir sind gleich da.«
    Ihr Leben lang war Jacobina eingebläut worden, dass es unhöflich sei, neugierig zu starren, aber hier in Glodok konnte sie nicht anders. Mit großen Augen bestaunte sie die Häuser, an denen Jan Molenaar sie vorüberführte; sie bemerkte nicht einmal, dass sie den Mund offen stehen hatte. Die Fassaden unter den geschwungenen roten Ziegeldächern sahen zwar schäbig und abgewohnt aus, waren nicht selten stockfleckig oder gar schimmlig, besaßen aber mit den vor den Fensteröffnungen eingelassenen geschnitzten Holzgittern und den kunstvoll durchbrochenen Balkonbrüstungen im oberen Stockwerk einen besonderen asiatischen Zauber. Jacobina beobachtete die Chinesen, die zwischen den vorbeiholpernden Karren und Ponywagen umhergingen, in lockere, langärmlige Hemdjacken und weite Hosen gekleidet, barfuss oder in leichten Sandalen, die nur aus einer Sohle und einem geteilten Riemen bestanden. Manche hatten quer über den Schultern ein Tragjoch liegen, an dessen Seilen oder Ketten Körbe, zuweilen auch Tonkrüge hingen, und viele trugen einen kegelförmigen Hut aus Stroh, nicht wenige aber auch ein Käppchen aus Baumwolle oder Seide, unter dem ein dünner Zopf über ihren Rücken baumelte. Bei denjenigen, die ohne Kopfbedeckung unterwegs waren, stellte Jacobina fest, dass der Schädel, abgesehen vom allgegenwärtigen, mehr oder weniger langen Zopf, kahlrasiert oder allenfalls von einem dunklen Haarschatten überzogen war. Und als eine von zwei gestriegelten Pferden gezogene noble Barouche an ihnen vorüberfuhr, stolperte Jacobina beinahe über ihre

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