Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
betrachten, und Jacobina schielte zu ihm hin. Sein Gesicht war so dicht an ihrem, dass sie die ersten feinen Linien unter seinen Augen erkennen konnte. Augen, die aus der Nähe von einem eigentümlich warmen Grau waren, beinahe wie Rauchquarz, und Linien, die sich vertieften, als er schief grinste und ihr zuzwinkerte. »Für einen Mann hab ich das ganz ordentlich hinbekommen, meine ich.«
Ihre Blicke verhakten sich ineinander, ein, zwei Herzschläge lang, dann trat Jan Molenaar einen halben Schritt zurück. Er räusperte sich und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über Mund und Kinn. »Haben Sie sich schon etwas von der Stadt angesehen?« Als Jacobina den Kopf schüttelte, setzte er schnell hinzu: »Möchten Sie gerne? Wann haben Sie Ihren freien Tag? – Sie haben doch einen freien Tag?«
Jacobina senkte den Kopf. Ein freier Tag in der Woche, vorzugsweise der Sonntag, war vorab im Briefwechsel mit Frau de Jong vereinbart gewesen, aber Jacobina hatte sich nicht getraut, sie daran zu erinnern; überdies war sie gern mit den Kindern zusammen und hätte auch gar nicht gewusst, was sie mit einem freien Tag anfangen sollte, sie hatte auch so genug Zeit für sich.
»Schon«, flüsterte sie langsam, »aber …«
»Aber Griet hat es vergessen, was?« Er lachte. »Das sieht ihr ähnlich! Kommen Sie!« Ehe Jacobina es sich versah, hatte er sie bei der Hand genommen und zog sie im Laufschritt die Veranda entlang, um die Ecke herum zur Rückseite des Hauses. »Griet!«
Die Teetasse in der einen, die Untertasse in der anderen Hand und die Beine in ihrem blauweißen Sarong übereinandergeschlagen, drehte Margaretha de Jong sich mit fragender Miene auf ihrem Rattanstuhl um. Auch der Major, der sich breitbeinig auf seinem Platz zurückgelehnt hatte, sah ihnen mit hochgezogenen Brauen entgegen; nur der einheimische Junge, der in einer monotonen Bewegung am Seil des punkahs über dem Tisch zog, zeigte keine Regung.
»Liebste, verehrteste Griet«, rief Jan Molenaar aus, als er und Jacobina den Tisch auf der Veranda erreicht hatten, »wie sich gerade zufällig herausgestellt hat, hast du in deiner unnachahmlichen Art vergessen, eurer Hauslehrerin ihre freien Tage zuzugestehen. Und noni Bina hier«, er hob ihrer beider verschränkten Hände leicht an, »war viel zu langmütig, um dich daran zu erinnern.«
Jacobinas Wangen wurden heiß; die Situation war ihr unangenehm, und Jan Molenaars Hand, die ihre festhielt, brachte ihren Herzschlag ins Stolpern.
Frau de Jong riss die Augen auf und setzte ihre Tasse auf der Untertasse ab; sie schlug die Hand vor den Mund und presste sie dann auf ihr Brustbein, während sie zwischen ihrem Mann, Jan und Jacobina hin und her sah. »Du große Güte! Das tut mir schrecklich leid, noni Bina! Wie unaufmerksam von mir! Warum haben Sie denn nichts gesagt? Natürlich steht Ihnen ein freier Tag zu! Entschuldigen Sie vielmals! Ich weiß nicht, wie das passieren konnte!« Unglücklich blickte sie in die Runde.
Der Major verdrehte die Augen und beugte sich vor, um die Glut seines Zigarillos am Rand des Aschenbechers abzustreifen. »Herrje, nun mach doch keine Staatsaffäre daraus, M’Greet! Wärst du weniger mit deinen Kränzchen beschäftigt und würdest nicht alles dem Personal überlassen, wäre dir das nicht passiert. Soll Fräulein van der Beek die freien Tage, die ihr entgangen sind, eben nachholen, und das Ganze ist damit vom Tisch.« Er ließ sich wieder im Stuhl zurückfallen und knurrte etwas auf Malaiisch in sich hinein.
Auf den Wangen von Frau de Jong zeichneten sich rote Flecke ab. »Sollen wir das so machen, liebe noni Bina? Ach Gott, das tut mir so unendlich leid, das müssen Sie mir glauben!«
»Ja, natürlich, sehr gerne«, sagte Jacobina leise; sie fühlte sich ein bisschen schuldig, dass sie Frau de Jong nicht schon früher darauf angesprochen hatte und nun daran beteiligt war, dass diese sich in eine solch unangenehme Lage gebracht fühlte. Der eindringliche, blaufunkelnde Blick, mit dem der Major sie musterte, vergrößerte ihr Unbehagen. Obwohl er stets auf seine zurückhaltende, ein wenig bärbeißige Art freundlich zu ihr war, fühlte Jacobina sich in seiner Gegenwart befangen. Vielleicht, weil sie ihn so selten sah; er schien schon frühmorgens aus dem Haus zu gehen und kehrte erst sehr spät zurück, und die Kinder bejubelten es wie einen Feiertag, wenn er einmal schon am Nachmittag nach Hause kam und mit ihnen im Garten herumtobte.
»Im ersten Moment«, ließ sich der
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