Das Herz der Hoelle
Anklageschrift, oder? Nicht eine Zeile, die zutraf. Ihr großes Beweisstück war ein Spielzeug, ein Apparat, mit dem man die Stimme verfälschen kann und der in der Fabrik hergestellt wurde, in der meine Frau arbeitete.«
»Ich bin im Bilde.«
»Ist das nicht zum Lachen?«
»Doch.«
»Das wird noch witziger, wenn man weiß, dass ich in Scheidung lebte. Ich und meine Schnalle, wir haben nur noch über Einschreiben miteinander geredet. Nicht schlecht für Komplizen, was?«
Er griff nach dem neuen Krug Bier und leerte ihn zur Hälfte. Als er ihn wieder hinstellte, hatten sich Schaumstreifen in seinem Bart verfangen.
»Nix als Blödsinn!«, sagte er dann.
Ich sah mir noch einmal seine Hände und vor allem seine Ringe an. Einer trug als Motiv einen Stern, der mit byzantinischen Flechtdekorationen verziert war. In einen anderen waren Spiralen und Arabesken eingestanzt. Ein anderer wiederum bestand aus einem hohlen Kreis und war mit einem Stift verschlossen, ähnlich wie der Halsring eines Gefangenen. Eine Stimme in mir flüsterte wieder: »Täter«. Es war die Stimme Chopards mit seiner Theorie von den dreißig Prozent.
»Haben Sie schon einmal mit der Justiz zu tun gehabt?«
»Meine angebliche Verführung Minderjähriger? Ich hätte damals Anzeige erstatten sollen. Wegen sexueller Belästigung.«
Er trank wieder, diesmal auf seinen Humor. Ich zündete mir eine Zigarette an:
»Außerdem haben Sie kein Alibi.«
»17.30 Uhr: Was macht man um diese Zeit? Man fährt nach Hause. Ihr Bullen meint immer, man müsste zur Tatzeit ’nen Cocktailempfang geben. Damit euch hundert Leute ein Alibi auf dem Tablett servieren können.«
Er schüttete einen letzten großen Schluck hinunter und stellte seinen Krug dann knallend auf den Tisch.
»Je länger ich dich ansehe«, sagte er, »umso mehr hab ich den Verdacht, dass du meine Akte gar nicht kennst. Ich glaub, du flunkerst, Kumpel. Ich frag mich, oh du in dieser Sache überhaupt was zu melden hast.«
»Sie hatten ein Motiv.«
Er lachte wieder höhnisch. Am Ende schien ihn diese Unterhaltung zu amüsieren. Es sei denn, das Bier wäre für seine Heiterkeit verantwortlich.
»Eine fabelhafte Geschichte. Ich soll aus Konkurrenzneid ein Kind umgebracht haben?« Er streckte seine große Hand aus. »Schau dir diese Flosse an, mein Freund. Die kann wahre Wunder vollbringen. Sylvie hatte echt eine goldene Hand, das stimmt. Aber ich bin genauso gut, da kannst du meine Kollegen fragen. Im Übrigen bin ich doch noch befördert worden. Das alles ist ausgemachter Blödsinn.«
»Sie hätten Sylvie über Monate hinweg anrufen können, nurum ihr Angst einzujagen.«
»Du hast keinen blassen Schimmer. Wenn du besser informiert wärst, wüsstest du, dass der Mörder am Abend des Mordes ins Krankenhaus gekommen ist, um Sylvie anzurufen. Sie von einer Telefonzelle, nur wenige Meter von ihrem Zimmer entfernt, zu verhöhnen.«
Das hatte ich tatsächlich nicht gewusst. Der Koloss fuhr fort:
»Er hat eine Telefonzelle im Foyer des Krankenhauses aufgesucht. Glaubst du, ich hätte mich mit meiner Wampe da hineinzwängen können?« Er schlug sich auf den Bauch. »Das ist mein Alibi.«
»Vielleicht hatten Sie Komplizen.«
Der Uhrmacher glitt beschwerlich und plump von seinem Hocker herunter und baute sich vor mir auf. Er war kleiner als ich, wog aber sicher hundertfünfzig Kilo.
»Zieh jetzt ab. Hier bist du in meinem Land. Du hast hier nichts zu melden. Verschwinde, oder ich polier dir die Fresse.«
»Mit deiner goldenen Hand, wie?«
Ich presste seinen rechten Arm auf die Theke und drückte meine Camel auf einem seiner Ringe aus. Er versuchte reflexartig die Faust zu heben, aber ich ließ nicht locker.
»Meine Name ist Mathieu Durey«, sagte ich, »Mordkommission Paris. Du kannst dich erkundigen: Man könnte diesen Raum mit meinen Festnahmeprotokollen tapezieren. Und das hab ich nicht dadurch erreicht, dass ich mich an die Regeln hielt …«
Der Mann schnaufte wie ein Walross.
»Ich rieche, dass du in dieser schmutzigen Sache mit drinsteckst, bis zum Hals. Ich weiß noch nicht, wie, aber du kannst sicher sein, dass ich nicht eher von hier verschwinde, bis ich das herausgefunden hab. Und weder deine Anwälte noch deine verdammte Grenze werden dich beschützen …«
Sein Gesicht war eine einzige hassverzerrte
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