Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Nachmittagswind. Cazeviel lächelte flüchtig:
       »Sylvie Simonis, was?«
       »Noch immer. Und ihre Tochter, Manon.«
       »Haben Sie hier denn überhaupt was zu melden?«
       Ich lächelte und bot ihm eine Zigarette an. Er schüttelte den Kopf.
       »Ich schlage Ihnen ein kurzes Gespräch zwischen Freunden vor«, sagte ich, nachdem ich meine Zigarette angezündet hatte.
       »Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen wie Sie zum Freund haben will.«
       »Ein paar Fragen, und ich kehre zu meinem Auto zurück und Sie zu Ihrem Salat.«
       Cazeviel suchte den See, der sich zu meiner Rechten erstreckte, mit den Augen ab. Silbergrau und Azurblau. Er zog seine großen Arbeitshandschuhe aus und schlug sie gegeneinander.
       »Kaffee?«
       »Gern.«
       Er ließ sich auf einen Erdhaufen fallen und langte mit der Hand hinter die Schubkarre. Er holte eine Thermosflasche und einen Becher hervor. Die Verschlusskappe drehte er um, um sie als zweite Tasse zu verwenden. Vorsichtig goss er den Kaffee ein. Ich sah, wie seine Muskeln unter seinen Tätowierungen spielten. Er war fünfundvierzig Jahre alt, wie ich aus den Artikeln wusste, aber er hatte den Körper eines Dreißigjährigen.
       Ich nahm den Becher, den er mir hinhielt, und setzte mich auf einen Lehmhaufen. Wir schwiegen. Cazeviel schien die Kälte nichts auszumachen. Ich dachte an das Waisenkind, das Sylvie Simonis etwas versprochen hatte.
       »Was wollen Sie wissen?«
       »Was alle wissen wollen.«
       »Mann, das ist Schnee von gestern. Ich will endlich damit in Ruhe gelassen werden.«
       »Es dauert nicht lange.«
       »Ich höre.«
       »Was hat Sie dazu veranlasst, den Mord an Manon zu gestehen?«
       »Die Gendarmen.«
       Ich trank einen Schluck Kaffee und fragte in ironischem Tonfall:
       »Man hat Sie in die Mangel genommen, und Sie sind zusammengebrochen?«
       »Genau.«
       »Nun mal im Ernst. Was ist da in Sie gefahren?«
       »Ich wollte sie foppen. Für die war ich zwangsläufig der Täter. Es scherte sie einen Dreck, dass Sylvie wie eine Schwester für mich war. Für diese Deppen zählte nur mein Strafregister. Also hab ich ihnen gesagt: ›Okay, dann locht mich doch ein.‹« Er überkreuzte die beiden Hände, wie um sich Handschellen anlegen zu lassen. »Ich wollte ihre Scheißvorurteile bestätigen.«
       Cazeviel sprach verstörend langsam und träge. Und mit einer Geschmeidigkeit, die an die Reptilien auf seiner Haut erinnerte.
       »Bei Ihrem Vorstrafenregister war das ziemlich gewagt, oder?«
       »Ich lebe mit dem Risiko.«
       Der Mann glich dem Beschützer, den ich mir vorgestellt hatte. Ein Angst einflößender, bedrohlicher Schutzengel. Ich kam auf ein Detail zurück, das mich beschäftigte:
       »Im Jahr 1986 wurden Sie aus dem Gefängnis entlassen.«
       »Das steht in meinem Lebenslauf.«
       »Sylvie war verheiratet, Mutter und eine erfolgreiche Uhrmacherin. Hatten Sie Kontakt zu ihr?«
       »Nein.«
       »Wie haben Sie sie dann aufgespürt? Sie hatte doch ihren Mädchennamen abgelegt.«
       Er sah mich neugierig an. Der Feind war doch gefährlicher, als er geglaubt hatte, aber er gab sich keine Blöße. Er lächelte:
       »Steht das Angebot mit der Zigarette noch?«
       Ich bot ihm eine Camel an und nahm selbst beiläufig eine weitere heraus.
       »Ich werde dir etwas gestehen. Etwas, was ich noch niemandem gesagt habe.«
       »Womit verdiene ich diese Ehre?«
       »Ich weiß nicht. Vielleicht weil du genauso schräg bist wie ich. Nach dem Knast bin ich mit Kumpels nach Nancy gegangen. Wir haben dann in der Schweiz zugeschlagen. Jeden Abend sind wir heimlich über die Grenze gefahren. Dort wartete ein Auto auf uns. Wir haben ein paar Dinger in Neuchâtel, Lausanne … und manchmal sogar in Genf gedreht.«
       Ich ging zum Du über:
       »Vergiss nicht, dass ich Polizist bin.«
       »Verjährt, mein Lieber. Kurz, wir haben begriffen, dass es auch auf dieser Seite der Grenze was zu holen gab, in gewissen Nobelhütten. Sartuis, Morteau, Pontarlier … Eines Nachts sind wir in eine Werkstatt eingestiegen, in der viele wertvolle Uhren standen. Da hab ich die Fotos gesehen. Fotos von Sylvie und ihrer Tochter. Verdammt, wir waren bei ihr eingebrochen! Bei meiner Jugendliebe, die geheiratet und eine kleine Tochter hatte.«
       Er nahm einen Zug, um noch einmal seine Überraschung – und seine Verbitterung – zu

Weitere Kostenlose Bücher