Das Herz der Hoelle
uns die Freiheit geschenkt, zu Ihm zu gelangen. Es lag an uns, den Versuchungen zu widerstehen und der Nacht zu entfliehen. Kurz, mit dem Leben zurechtzukommen. Darin lag die Größe des Menschen: in dieser Freiheit, uns »mit zu erschaffen«.
Aus diesem Grund misstraute ich übernatürlichen Eingriffen. Gott soll urplötzlich einen Menschen erwählt und ein Wunder gewirkt haben. Das widersprach der christlichen Glaubenslehre. Das einzige Wunder, das sich im Alltag ereignen konnte, war der Aufstieg des sterblichen Menschen zu Gott. Allein der Glaube konnte uns aus unserer Gefangenheit im Irdischen befreien. Genau dies geschah übrigens bei einer Heilung dieses Typs. Der menschliche Geist überwand die Materie, und das war schon eine erstaunliche Leistung.
Agostina war ein anderes Problem. Der Mord, den sie tatsächlich oder vorgeblich begangen hatte, änderte alles. Ein Wunder, das ist immer die Geschichte einer geretteten Seele. Ich ahnte, weshalb der Vatikan seine Anwälte geschickt hatte. Nicht, um ihre Unschuld zu beweisen – Agostina bekannte sich schuldig –, sondern um den Schaden zu begrenzen. Das Aufsehen, das ihr Fall erregte. Der Heilige Stuhl hatte einen riesigen Fehler begangen, als er ein solches Monster offiziell zu einer Person erklärte, die durch ein Wunder geheilt wurde. Man musste den Skandal ersticken.
Es wurde dunkel. Die Rasenflächen wurden nach und nach von der Finsternis verschluckt, die Siedlung verblasste. 17 Uhr. Und noch immer keine Neuigkeiten von Michele Geppu. Von Kopf bis Fuß frierend, beschloss ich, zurück zum Wagen zu gehen und mehrere Telefonate zu führen.
Zunächst mit Foucault.
»Gibt’s was Neues?«, fragte ich.
»Nein. Die internationalen Anfragen zu den Morden haben nichts gebracht. Bis jetzt zumindest. Wir müssen warten.«
»Und die Entomologen im Jura?«
»Fehlanzeige.«
»Nimm beim Jura etwas Gas weg.« Ich dachte an Sarrazin und seine Empfindlichkeit. »Hast du überprüft, ob eine Verbindung zwischen Unital6 und Notre-Dame-de-Bienfaisance bestand?«
»Ja. Und ich hab nichts gefunden.«
»Bohr bei der Stiftung weiter nach. Ihre Wallfahrten. Ihre Seminare.«
»Wonach soll ich suchen?«
»Keine Ahnung. Wie oft haben sie Reisen zu welchen Zielen und Preisen organisiert. Bohr tiefer.«
Ich hatte dies ohne rechte Begeisterung gesagt, und Foucault musste es gespürt haben.
»Läuft in der Firma alles glatt?«, fuhr ich fort. »Ist das Meer ruhig?«
»Könnte man sagen. Dumayet hat mich deinetwegen ausgequetscht.«
Am Vorabend hatte ich der Polizeidirektorin eine einfache SMS geschickt, in der ich ihr mitteilte, dass ich meinen »Urlaub« verlängern würde. Eine solche Nachricht erheischte mündliche Erklärungen. Ich hatte mich heute nicht dazu durchringen können.
»Was hast du ihr gesagt?«, fragte ich.
»Die Wahrheit. Dass ich nicht die geringste Ahnung hätte, was du treibst.«
Ich verabschiedete mich von meinem Stellvertreter und rief Svendsen an, um zu erfragen, ob er etwas über die Flechten und den Skarabäus herausgefunden hatte, und mich nach den Resultaten der Suche nach anderen verwesten Mordopfern zu erkundigen. Der Gerichtsmediziner hatte nichts von sich hören lassen. Daher überraschte es mich nicht, als er mir sagte, die Botaniker seien noch immer mit der Analyse der Proben beschäftigt, bisher ohne Ergebnis. Sie konsultierten riesige Kataloge, in denen Arten und Gattungen aufgeführt waren. In Bezug auf den Skarabäus hatten die Experten das Urteil Plinkhs bestätigt und eine Liste mit den Zuchtstätten erstellt. Keine davon befand sich in der Nähe der Täler des Jura.
Wegen der Leichen hatte der Schwede zahlreiche Telefonate geführt. Vergeblich. Er hatte an alle rechtsmedizinischen Institute eine vertrauliche Anfrage geschickt. Es waren noch keine Antworten eingegangen. Ich fragte ihn, ob die Recherchen auf europäischer Ebene ausgeweitet werden könnten. Svendsen fluchte vor sich hin, aber das war kein kategorisches Nein. Ich wusste, dass er sich bemühen würde.
Zum Schluss rief ich den »Kalkulator« an, der schlechte Nachrichten für mich hatte. Der Inhaber des schweizerischen Kontos hatte das Geld persönlich in bar abgehoben. Es hatte keine namentliche Überweisung auf ein anderes Konto stattgefunden.
Wer war die Person, die diese Summen kassiert hatte? In Anbetracht der neuen
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